Berlin — Er ist der erste deutsche Raumfahrer, der den kosmischen Hattrick geschafft hat: Ulf Merbold. Am 28. November 1983 flog der gebürtige Vogtländer das erste Mal mit dem US-Shuttle „Columbia“ in den Weltraum. Er war zugleich der erste Nicht-Amerikaner, der an Bord einer Raumfähre forschen durfte. 1992 war er das zweite Mal unterwegs, diesmal in der „Discovery“. Und zwei Jahre später schon konnte er wertvolle „Ost-Erfahrungen“ mit den Russen bei der Mission Euromir 94 sammeln.
Merbolds Erstflug vor 25 Jahren sorgte im damals noch geteilten Deutschland für einigen Wirbel. Angeheizt durch den Kalten Krieg, machten ihn selbst seriöse Publikationen zum ersten „richtigen Deutschen“ im All. DDR-Oberstleutnant Sigmund Jähn, der schon fünf Jahre früher mit den Sowjets eine Woche in der Raumstation „Salut 6“ war, wurde hingegen als „Sachso-Germane“ und „Mitesser in der Russen-Rakete“ diffamiert.
Der promovierte Physiker Merbold selbst blieb sachlich. Es habe ihn „niemals betrübt“, dass Jähn vor ihm im All unterwegs gewesen sei, schreibt er als Zeitzeuge in der Biografie des ersten deutschen Kosmonauten und fügt hinzu: „Im Gegenteil. Sigmund hat mich durch seinen Mut in meinem eigenen Tun und Trachten beflügelt.“
Dabei hätte Merbold allen Grund, mit der DDR zu hadern, deren Bürger er bis 1960 war. Er war dort nicht zum Studium zugelassen worden, weil er es ablehnte, sich im Sinne des Sozialismus politisch zu betätigen. Daraufhin floh der Greizer über die noch offene Grenze nach Westberlin. Seine Ablehnung des DDR-Systems wurzelte nicht zuletzt im tragischen Schicksal seines Vater. Der war 1945 nach der Rückkehr aus amerikanischer Gefangenschaft von Rotarmisten in das KZ Buchenwald verschleppt worden, wo er später starb.
Merbold studierte in Stuttgart, arbeitete danach am dortigen Max-Planck-Institut für Metallforschung und promovierte 1976 auf dem Gebiet der Festkörper- und Tieftemperaturphysik. 1977 bewarb sich der frisch gebackene Doktor für das europäische Astronautenkorps und setzte sich in einem harten Auswahlverfahren als einziger von 700 Deutschen durch.
Trotz aller politischen Divergenzen entwickelten Merbold und Jähn, der eine DDR-Bilderbuchkarriere vom Waldarbeiterkind – übrigens ebenfalls aus dem Vogtland- bis zum ersten Deutschen im All und NVA-General gemacht hat, schon vor der Wende ein respektvolles und freundschaftliches Verhältnis zueinander. Den Fall der Berliner Mauer erlebten sie gemeinsam in Saudi-Arabien bei einer Tagung ihres Berufsverbandes Association of Space Explorers (ASE).
Nach der Wende setzte sich Merbold uneigennützig für seinen vogtländischen Landsmann ein, der im September 1990 aus der NVA entlassen worden war. Er empfahl den Generalmajor d. D. für eine Beratertätigkeit beim Vorgänger des heutigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DRL) und der Europäischen Weltraumorganisation ESA.
Jähn „revanchierte“ sich dafür, indem er Merbold mit Rat und Tat half, sich im „Sternenstädtchen“ bei Moskau optimal auf seinen 31-Tage-Flug im Oktober 1994 zur MIR-Station vorzubereiten. Nach dem Abschied aus dem Astronautenkorps brachte Merbold die Erfahrungen aus seinen drei Raumflügen in Ost und West in leitenden Funktionen bei der ESA ein. Noch heute ist der streitbare Pensionär in Sachen Raumfahrt beratend und als begehrter Vortragsreisender unterwegs.
Merbolds Hattrick hat alle Chancen, noch lange zu bestehen. Denn von den zehn deutschen Raumfahrern haben sieben nur einen Flug absolviert, zwei kommen auf jeweils zwei Starts. Eine neue Weltraummission mit deutscher Beteiligung ist derzeit nicht in Sicht.
(Veröffentlicht am 26. November 2008)