Berlin – Zufall oder nicht: Exakt zehn Astronauten und Kosmonauten begehen am Donnerstag (20. November) 350 Kilometer über der Erde den 10. Jahrestag des Baubeginns an der Internationalen Raumstation. Die neun US-Amerikaner und ihr russischer Kollege spiegeln zwar nur höchst unzureichend das breite Spektrum der ISS-Partner wider, zu denen auch die Europäische Weltraumorganisation ESA, Japan und Kanada gehören. Doch auch deren Beitrag wird an diesem Tag gewürdigt. Denn ohne Europas Wissenschaftsmodul «Columbus» und Frachtraumschiff ATV, den japanischen Forschungskomplex KIBO (Hoffnung) und die kanadischen Roboterarme wäre die Station nicht das, was sie heute ist: das größte Technologieprojekt der Menschheitsgeschichte.
Viel Zeit zum Feiern bleibt den Raumfahrern allerdings nicht. Denn just am Jubiläumstag steht für die siebenköpfige Besatzung der US-Raumfähre «Endeavour», die am Sonntagabend an der ISS angedockt hatte, der zweite von vier Ausstiegen auf dem Programm.
Seit dem Start des russischen Frachtmoduls «Sarja» am 20. November 1998 ist die Station stetig gewachsen. Lediglich der Absturz der US-Raumfähre «Columbia» vom 1. März 2003 sorgte für eine Zwangspause.
Heute sind 30 der geplanten rund 40 Aufbauflüge bereits absolviert. Bei 27 Missionen haben Shuttles das Gros der Hightech auf die Umlaufbahn gebracht: Die Module «Destiny», «Quest»,«Unity», «Harmony», «Columbus» und KIBO sowie drei Sonnenbatterien, Gitterkonstruktionen, Manipulatorarme und andere Teile. Die Russen steuerten noch das Wohnmodul «Swesda» und den Verbindungsknoten «Pirs» bei. Alle diese Wunderwerke mit einer Masse von derzeit rund 300 Tonnen machen aber erst etwa drei Viertel der geplanten Station aus, deren Konturen allerdings schon heute die volle Größe von 107 mal 80 Metern erreicht haben.
2010 soll der Jahrtausendbau vollendet sein. Bis dahin müssen acht Shuttles unter anderem noch das letzte Sonnensegel, ein Verbindungsmodul, eine Aussichtsplattform und einen Montageroboter sowie weitere Elemente des KIBO-Moduls auf die Umlaufbahn bringen. Die Russen ihrerseits erweitern ihr Segment noch um zwei kleine Forschungsmodule.
Gut 160 Frauen und Männer haben bisher die ISS besucht. Ein Viertel von ihnen absolvierten als Mitglieder der 18 Stammbesatzungen einen oder sogar mehrere Langzeitflüge von in der Regel einem halben Jahr. Dazu gehörte 2006 auch der deutsche ESA-Astronaut Thomas Reiter. Im März 2008 begleitete sein Kollege Hans Schlegel das «Columbus»-Modul zur ISS, an der dann im April das erste ATV anlegte. Die Russen haben zudem für hohe Millionenbeträge sechs betuchte «Weltraumtouristen» mit auf die Umlaufbahn genommen.
Der Besuch der «Endeavour» läutet den Endspurt bei der Fertigstellung der ISS ein. Der Shuttle hat nämlich alles Nötige an Bord, um ab Mitte 2009 die Stammbesatzung auf sechs Astronauten zu verdoppeln. Erst dann können die Kapazitäten der Station so richtig effektiv genutzt werden. Bisher ist eine Funktionsdauer bis 2015 vertraglich vereinbart, doch die Partner arbeiten schon an einer Verlängerung bis 2020.
(Veröffentlicht am 18. November 2008)