Berlin, 16. Juni 2011 — Aus Deutschlands zehnköpfiger Raumfahrer-Garde ragt einer durch eine besondere Leistung heraus: Ulf Merbold. Der gebürtige Thüringer, der am 20. Juni 70 Jahre alt wird, war als einziger gleich dreimal im All und wird diesen Rekord wohl noch lange behalten. Seine ersten beiden Flüge absolvierte er mit US-Space Shuttles, seinen dritten mit russischer Technik. Dabei lernte er die höchst unterschiedlichen Transportsysteme beider großen Raumfahrt-Antipoden nicht nur gründlich kennen, sondern auch schätzen, wie der promovierte Physiker zugibt.
Die Biografie Merbolds ist neben dem Dreifachstart noch mit einer ansehnlichen Zahl weiterer Erstleistungen gespickt. So war er 1983 erster Nichtamerikaner in einer Raumfähre, 1992 der erste deutsche Doppelflieger und 1994 der erste ESA-Vertreter im legendären russischen Raumlabor MIR. Im Rahmen der „Euromir 94“-Mission absolvierte er dabei mit 32 Tagen den damals längsten Raumflug eines Westeuropäers.
Die Ehre, erster Deutscher im All zu sein, blieb ihm jedoch verwehrt. Diesen Titel hatte sich die DDR, der Merbold 1960 aus politischen Gründen den Rücken kehrte, 1978 mit dem einwöchigen Flug des NVA-Offiziers Sigmund Jähn zur Raumstation „Salut 6“ gesichert. Die SED-Führung vollführte dafür sogar eine ideologische Volte ohnegleichen. Zu aller Überraschung erklärte sie die DDR-Bürger kurzerhand auch zu Deutschen. „Der erste Deutsche im All – ein Bürger der DDR“ lauteten unisono die Schlagzeilen. Bis dato hatte man die Bezeichnung „Deutscher“ gemieden wie der Teufel das Weihwasser.
Merbold indes ficht es überhaupt nicht an, nur „erster Astronaut der Bundesrepublik“ zu sein, wie er sich in seinem Buch „Flug ins All“ tituliert. Ihm missfiel auch, dass einige bundesdeutsche Medien und Politiker versuchten, Jähn als „Mitesser in der Russen-Rakete“ zu diffamieren und ihn selbst zum ersten „richtigen Deutschen“ im Weltraum hochzustilisieren. „Bei allem, was mir lieb und teuer ist, versichere ich: Es hat mich niemals betrübt. Im Gegenteil. Sigmund hat mich durch seinen Mut in meinem Tun und Trachten beflügelt“, gab er als Zeitzeuge zu dessen Flug zu Protokoll.
Erstmals persönlich begegnet sind sich die beiden Männer, deren Vita unterschiedlicher nicht sein konnte, im Juni 1984 in Salzburg auf einem Kongress zum 90. Geburtstag des deutschen Raumfahrtpioniers Hermann Oberth. Der „Republikflüchtling“ Merbold ist damals offen auf den General der NVA Jähn zugegangen, der sechs Jahre später mit dem Ende der DDR auch seine Existenzgrundlage verloren habe, wie er einmal schrieb. Merbold habe diese Wende aber als „eine Zeit der Chancen und nicht der Abrechnung„ verstanden. Denn auf seinen Vorschlag sei ihm, Jähn, im Sommer 1990 angeboten worden, für das heutige Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im russischen „Sternenstädtchen“ bei Moskau als Berater zu arbeiten. Als Merbold dann 1993 in Vorbereitung auf seinen MIR-Flug hierher kam, habe er versucht, „ihn ebenso ehrlich zu unterstützen, wie er mir Jahre vorher seine Unterstützung nicht verweigert hatte“, bekannte Jähn später. Seither sind die beiden Vogtländer, die nur 32 Kilometer voneinander entfernt in Greiz und Morgenröthe-Rautenkranz geboren wurden, befreundet.
Merbold, ein begeisterter Amateurflieger, war nach seiner aktiven Astronauten-Laufbahn für die ESA tätig. Und auch nach seiner Pensionierung ist er der Raumfahrt treu geblieben. Seine Erfahrungen als Astronaut zwischen den Welten und Wissenschaftler sind dabei in Deutschland wie im Ausland gefragt. Das Hauptthema seiner Vorträge: Die Bewahrung des unglaublich schönen, aber auch sehr zerbrechlichen Raumschiffes Erde.
(für dapd)