Berlin, 8. April 2011 — Tausende junger sowjetischer Jagdflieger sind 1959 für den Job „gecastet“ worden, wie man heute sagen würde, doch nur 20 davon kamen ins Finale. Unter dem Geheimcode „Thema Nr.6“ wurde nach jenem Sowjetbürger gesucht, der als erster Mensch in den Weltraum fliegen sollte. Den 20 Kandidaten hatte man lediglich gesagt, es gehe um „neue Technik“. Die meisten dachten deshalb an modernere und schnellere Flugzeuge. Erst als nach den gründlichen medizinischen Untersuchungen im März 1960 das harte Training begann, wurde das Rätsel aufgelöst.
Der 27-jährige Oberleutnant Juri Gagarin machte schließlich das Rennen. Am 10. April 1961 wurde er als die Nummer Eins nominiert, seine Ersatzleute waren German Titow und Grigori Neljubow. Zwei Tage später, am 12. April, stieg der „Kolumbus des XX. Jahrhunderts“ in seiner „Wostok“-Kapsel vom Raketenstartplatz Tjura-Tam, dem heutigen Kosmodrom Baikonur (Kasachstan), auf und landete 108 Minuten später wohlbehalten am Fallschirm auf einem Sturzacker bei Saratow an der Wolga.
Der Werdegang Gagarins war typisch für Millionen seiner Altersgenossen in dem inzwischen untergegangenen Land. Am 9. März 1934 in einer Kolchosbauernfamilie bei Smolensk geboren, lernte er nach der Grundschule den Beruf eines Gießers, bildete sich auf einem Industrietechnikum weiter, trat einem Aeroklub bei und wurde nach Abschluss der Fliegerschule in Orenburg (Ural) 1957 Militärpilot. Nach kurzer Dienstzeit in einem Fliegerregiment der Nordmeerflotte kam er schließlich in die erste Auswahlgruppe für den Raumflug, die heute als „Gagarinsche Garde“ bekannt ist.
Maßgeblichen Anteil an der Entscheidung für Gagarin hatte Chefkonstrukteur Sergej Koroljow (1907-66). „In Juri verbinden sich angeborener Mut, analytischer Verstand und außergewöhnlicher Fleiß“, sagte er zur Begründung. Wenn Gagarin eine „solide Bildung“ erhalte, werde man einst seinen Namen unter den bedeutendsten Wissenschaftlern finden, fügte Koroljow hinzu.
In der Tat: Parallel zu seinen Reisen in rund 40 Länder der Erde, wo er wie ein Popstar gefeiert und mit Ehrungen geradezu überschüttet wurde, nahm Gagarin im September 1961 ein Studium an der Moskauer „Shukowski“-Militärakademie auf, das er im Februar 1968 mit Auszeichnung abschloss. Der frischgebackene „Flieger-Ingenieur-Kosmonaut“ liebäubelte damit, eine Aspirantur aufzunehmen und seine wissenschaftliche Laufbahn fortzusetzen, wurde aber auch als Chef des Kosmonauten-Ausbildungszentrum (ZPK) gehandelt. Doch dann stürzte er am 27. März zusammen mit seinem Instrukteur Wladimir Serjogin bei einem Übungsflug mit einer MiG aus bis heute nicht eindeutig geklärter Ursache ab. Die UdSSR hatte ihren Nationalhelden verloren.
Der Tod des Kosmonauten, der mit seinem offenen Wesen und unnachahmlichen Lächeln der beste Botschafter seines Landes war, löste in der ganzen Welt große Bestürzung aus. Zurück blieben seine Witwe Walentina, die seither im „Sternenstädtchen“ bei Moskau lebt, und seine Töchter Jelena und Galina. Dr. Jelena Gagarina (51) ist als Kulturwissenschaftlerin seit 2001 Generaldirektorin der Kreml-Museen. An ihrer Seite arbeitet auch Tochter Katja (23). Dr. Galina Gagarina (50) ist Dozentin an der Moskauer „Plechanow“-Wirtschaftsakademie, ihr Sohn Juri jr. (21) Student.
Im vergangenen halben Jahrhundert sind 519 Frauen und Männer aus 37 Ländern Gagarin in den Weltraum gefolgt. Das Gros stellen die USA mit 335 Astronauten, Russland folgt mit 110 Kosmonauten auf Platz 2. Deutschland liegt mit zehn Raumfahrern an dritter Stelle.
Von den 20 Mitgliedern der „Gagarinschen Garde“ leben heute noch vier, darunter ist auch Waleri Bykowski, der 1978 Kommandant des ersten Deutschen im All, Sigmund Jähn, war. Sie sind besonders willkommene Ehrengäste bei den Feierlichkeiten zum großen Jubiläum am 12. April im Moskauer Kreml.
(für dapd)