Baikonur, 5. April 2011 —
50 Jahre nach seiner historischen Erdumkreisung vom 12. April 1961 ist Juri Gagarin erneut im Weltraum – allerdings nur virtuell. Denn das Raumschiff „Sojus TMA-21“, das in der Nacht zum Dienstag vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan zur Internationalen Raumstation ISS aufgebrochen ist, trägt seinen Namen. Mit diesem einmaligen Akt in der Geschichte seiner bemannten Raumfahrt ehrt Russland seinen großen Sohn und leitet zugleich die heiße Phase der Jubiläumsfeierlichkeiten ein.Die dreiköpfige „Sojus“-Besatzung mit Alexander Samokutjajew, Andrej Borissenko (beide Russland) und Ronald Garan (USA) ist von jener Rampe gestartet, von der auch Gagarin damals seine 108-Minuten-Reise um die Erde angetreten hat. Zur Erinnerung an ihn kommentierte Kommandant Samokutjajew den spektakulären Nachtstart denn auch mit den berühmten Gagarin-Wort „Pojechali! – Auf gehts!“
Das „Sojus“-Trio ist sich des besonderen Charakters seiner Halbjahresmission in der ISS durchaus bewusst. Es sei eine „unglaubliche Ehre“ für ihn, Teil dieses Jahrestages zu sein, sagte Garan in einem NASA-Interview. Er sei fest überzeugt, dass die Menschheit am 12. April 1961 eine andere geworden ist, weil sie seither nicht mehr an die Erde gebunden sei. Borissenko betonte, er habe nicht geglaubt, dass er einmal die Chance bekomme, seinen Kindheitstraum, Kosmonaut zu werden, zu erfüllen. Nun spüre er eine große Verantwortung, denn er wisse, dass seine Mannschaft ein „Symbol“ des menschlichen Erfolgs im Weltraum sei und von allen sehr genau beobachtet werde. Samokutjajew erzählte, dass er zum Raumfahrtpionier einen ganz persönlichen Bezug habe. Er sei nämlich von seinen Freunden im Kindergarten „Sascha Gagarin“ (Sascha ist die Verkleinerungsform von Alexander) gerufen worden, weil er eine zweieinhalb Meter große Spielzeug-Rakete immer für sich allein beanspruchen wollte. Später sei er quasi auf den Spuren Gagarins gewandelt, Militärpilot geworden und schließlich im März 2003 ins Kosmonautenkorps gekommen.
Als Geschenk des Patriarchen von Moskau und ganz Russland, Kirill, haben die drei Männer eine Ikone an Bord. Sie soll in der ISS einen Ehrenplatz neben dem Bildnis von Gagarin erhalten.
Inzwischen ist Moskau schon ganz auf das große Jubiläum eingestellt. Rund 360 Riesenposter, metergroße Plakate und Videowände machen in der Millionen-Metropole seit dem 1. April darauf aufmerksam. Zum Festkonzert und dem großen Empfang im Kreml am 12. April werden auch die Chefs
von 49 ausländischen Raumfahrtagenturen sowie jene 79 Kosmonauten und Astronauten aus 28 Ländern erwartet, die in den vergangenen Jahrzehnten mit russischen Raumschiffen ins All geflogen sind, darunter auch fünf Deutsche.
Die derzeit auf drei Mitglieder dezimierte 27. ISS-Stammbesatzung mit dem Russen Dmitri Kondratjew, der Amerikanerin Catherine Coleman und dem Italiener Paolo Nespoli freut sich indes schon sehr auf die Verstärkung, die am frühen Donnerstagmorgen andocken soll. Um den Neuankömmlingen die Orientierung in dem Riesenkomplex zu erleichtern, hat sie sogar einen Wegweiser zu den unterschiedlichsten Modulen angefertigt.
Wenn Gagarin, der heute 77 Jahre alt wäre, noch lebte, hätte er übrigens keine großen Schwierigkeiten, sich mit „Sojus TMA-21“ zurecht zu finden. Denn als Double von Wladimir Komarow hatte auch er sich gründlich für den Jungfernflug von „Sojus 1“ im April 1967 vorbereitet, bei dem allerdings der Pilot ums Leben kam, weil das Fallschirmsystem versagte. Hätte Komarow aus welchem Grund auch immer nicht starten können, wäre Gagarin der erste Weltraumtote gewesen.
(für dapd)