Do. Nov 21st, 2024

Berlin/Koroljow/Houston – Die russischen Kosmonauten Sergej Wolkow und Oleg Kononenko haben in der Nacht zum Freitag einem möglichen folgenschweren technischen Defekt an ihrem Raumschiff „Sojus TMA-12“ nachgespürt. Bei einem außerplanmäßigen Ausstieg aus der Internationalen Raumstation ISS unterzogen sie in knapp sechseinhalbstündiger Arbeit den Mechanismus, der die Lande- und die Gerätesektion des Raumschiffes verbindet, einer gründlichen Inspektion. Wie heikel die Aufgabe war, zeigte sich nicht zuletzt darin, dass das russische Flugleitzentrum in Koroljow bei Moskau am Morgen nur eine knappe und lakonische Meldung dazu verbreitete. Darin hieß es lediglich, Wolkow und Kononenko hätten „erfolgreich“ eines der fünf „Schlösser“ zwischen den beiden Sektionen „untersucht“ und „abgekoppelt“, also deaktiviert.

Was das im Klartext bedeutet, konnte man bei der US-Luft- und Raumfahrtbehörde NASA nachlesen. Sie meldete in Houston, Wolkow und Kononenko hätten einen der zehn sogenannten Pyrobolzen, mit deren Hilfe die Landekapsel vor dem Eintritt in die dichten Schichten der Atmosphäre von der Gerätesektion abgesprengt werden, ausgebaut und in einem speziellen Transportbehälter in die ISS geholt. Der Bolzen solle zur Erde gebracht und dort weiter auf Fehler untersucht werden.

Die Inspektion von „Sojus TMA-12“ hatte sich erforderlich gemacht, nachdem die beiden Vorgängerraumschiffe im Oktober 2007 und im April diesen Jahres ballistisch, das heißt ungesteuert und damit erheblich härter als normal gelandet sind. Die Besatzungen waren dabei für kurze Zeit einer Überbelastung bis zum Neunfachen ihres Körpergewichts ausgesetzt – das ist doppelt so viel wie bei einer gesteuerten Landung, wo eine Automatik dafür sorgt, dass die Kapsel auf einem permanenten Luftpolster zur Erde schwebt. Die russischen Experten vermuten, dass einer der Pyrobolzen an eben jenem „Schloss“ nicht funktioniert hat. Das genaue Untersuchungsergebnis steht noch aus. Als sicher gilt, dass in beiden Fällen die Gerätesektion zu spät abgesprengt wurde, so dass die Landeautomatik auf den Reservemodus für den ballistischen Abstieg umschaltete.

Die Russen wollen mit der Inspektion auf jeden Fall verhindern, dass es bei der Rückkehr von „Sojus TMA-12“ im Oktober zum dritten Mal hintereinander zu einer solchen Panne kommt, die weitreichende Folgen für die Zusammenarbeit mit den Amerikanern haben könnte. Denn  die Amerikaner sind ab 2010 nach Einstellung des Shuttle-Programms auf die Raumschiffe der Russen für den Transport ihrer Astronauten zur ISS angewiesen und fordern höchste Sicherheitsstandards.

Auch der Vater von Sergej Wolkow, Alexander, der den Ausstieg seines Sohnes auf dem TV-Sender „Westi“ verfol gte, hat den ungewöhnlichen Charakter des „Weltraumspaziergangs“ betont. Noch nie in seiner 40-jährigen Geschichte habe ein „Sojus“-Schiff auf der Umlaufbahn repariert werden müssen, sagte er mit Blick auf die prophylaktische Öffnung des „Schlosses“. „Aber jetzt sind wir gezwungen, es zu reparieren, weil es zwei ballistische Abstiege gab und der dafür Grund gefunden werden muss, damit sich das nicht wiederholt“, fügte der Kosmosveteran hinzu, der zwischen 1985 und 1992 selbst dreimal im All war.

Auch US-Astronaut Greg Chamitoff als drittes Mitglied der 17. ISS-Stammbesatzung hat das Ungewöhnliche des Ausstiegs zu spüren bekommen. Er verbrachte diese Stunden aus Sicherheitsgründen im „Sojus TMA-12“-Raumschiff, an dem seine russischen Kollegen draußen arbeiteten. Damit wollte man für den unwahrscheinlichen Fall vorsorgen, dass bei Wolkow und Kononenko etwas schief läuft und die Männer schnell zur Erde zurückgeholt werden müssen.

(Veröffentlicht am 11. Juli 2008)