Berlin – Sechs Monate lang hatte sie als erste weibliche Kommandantin in der Internationalen Raumstation ISS das Sagen: Die US-Astronautin Peggy Whitson. Doch jetzt endet die Frauenpower rund 350 Kilometer über der Erde. Denn mit dem Raumschiff „Sojus TMA-12“, das am Donnerstag an der ISS festgemacht hat, ist ihre Ablösung eingetroffen. In den nächsten Tagen übergibt die 48-jährige Amerikanerin die inzwischen zu rund 70 Prozent fertige Station an den Russen Sergej Wolkow und dessen Kollegen Oleg Kononenko.Gemeinsam mit ihrem russischen Bordingenieur Juri Malentschenko, der ihr im vergangenen halben Jahr tatkräftig zur Seite stand, und der koreanischen Gastastronautin Yi So-yeon kehrt Whitson am 19. April wieder auf die Erde zurück. An Bord bleibt dagegen ihr Landsmann Garrett Reisman. Er ist seit März in der ISS und unterstützt Wolkow und Kononenko noch etwa zwei Monate bis zum nächsten Shuttle-Besuch.
Noch ist die offizielle Bilanz der 16. ISS-Stammbesatzung nicht gezogen. Doch jetzt schon sind die Experten und Raumfahrerkollegen des Lobes voll über die Arbeit der promovierten Biochemikerin. Immerhin fielen drei Shuttle-Besuche, fünf „Weltraumspaziergänge“ und eine Fülle von wissenschaftlichen Experimenten in ihre „Amtszeit“. Die ISS wurde um das europäische Forschungslabor „Columbus“ und das erste Segment des japanischen Wissenschaftsmoduls KIBO (Hoffnung) erweitert, zudem dockte der neue Weltraumfrachter „Jules Verne“ erstmals an. Whitson sei „die wirklich treibende Kraft“ bei all diesen Dingen gewesen, sagte der für ihre Mission verantwortliche US-Flugdirektor Holly Ridings. Unter ihrer Ägide sei alles „pünktlich und besser gelaufen“, als man sich das je erhofft habe.
Eine große Hilfe war für die Amerikanerin allerdings, dass sie schon vor ihrer Ernennung als erste ISS-Chefin die Station aus dem Effeff kannte. Denn von Juni bis Dezember 2002 hat sie in ihr als erste NASA-Wissenschaftlerin fast 185 Tage geforscht. So weihte sie eine Wissenschaftsbox ein, half bei der Montage von gewaltigen Gitterelementen und montierte bei einem rund viereinhalbstündigen Ausstieg in den freine Raum einen Meteoritenschutz am russischen „Swesda“-Modul.
Auch wenn Whitsons Nachfolger Sergej Wolkow und dessen Bordingenieur Oleg Kononenko Weltraumneulinge sind, sollte man die Männer nicht unterschätzen. Denn beide sind bestens auf ihre Aufgaben vorbereitet. Immerhin hat Wolkow nach der obligatorischen Kosmonauten-Grundausbildung ab Januar 2000 speziell für einen ISS-Flug trainiert. Mehrfach war er als Double vorgesehen, bevor er dann im Juni 2006 als Kommandant für das „Sojus TMA-12“-Raumschiff und die 17. ISS-Stammbesatzung nominiert wurde. Zudem hat der 35-Jährige Raumfahrerblut in den Adern. Sein Vater Alexander war dreimal im All und hat ihm, wie in russischen Medien zu lesen stand, so manchen heißen Tipp mit auf Weg gegeben. Man darf also getrost davon ausgehen, dass der Sohn das Können und auch den Ehrgeiz hat, seinem Vater und dem Namen Wolkow alle Ehre zu machen.
(Veröffentlicht am 10. April 2008)