(Zum 50. Jahrestag von „Explorer 1“ am 1. Februar 2008)
Von Gerhard Kowalski
Berlin – Er war die verspätete Antwort der Amerikaner auf den „Sputnik“ der Russen: Am 1. Februar 1958 haben die USA mit dem nur 8,2 Kilogramm wiegenden „Explorer 1“ ihren ersten künstlichen Erdsatelliten gestartet. Moskau hatte zu diesem Zeitpunkt freilich schon zwei davon auf der Umlaufbahn, die zudem um ein Vielfaches größer und schwerer waren. Doch der zylinderförmige Winzling an der Spitze der vierstufigen Jupiter-C-Rakete Wernher von Brauns erlöste die westliche Führungsmacht vom „Sputnik“-Schock. Sie gewann langsam ihr arg lädiertes Selbstbewusstsein wieder. Denn die Sowjets hatten am 4. Oktober 1957 mit „Sputnik 1“ das kosmische Zeitalter eröffnet und einen Monat später mit der Hündin Laika auch gleich noch das erste Lebewesen ins All geschossen. Viele sprachen daraufhin vom „kosmischen Pearl Harbor“ Amerikas.
Wernher von Braun und seine Satelliten-Konstrukteure William Pickering und James van Allen wurden durch „Explorer 1“ über Nacht zu Helden und Rettern der Nation. Der deutsch-amerikanische Raketenpionier erlebte den Start selbst nicht in Cape Canaveral (Florida), sondern in Washington. Dabei hatte er auch bange Minuten zu bestehen. Der Satellit tauchte nämlich acht Minuten später als berechnet über Kalifornien auf. Das seien die „aufregendsten“ Minuten seines Lebens gewesen, bekannte er später. Für kurze Zeit sah es nach einem Fehlschlag aus.
Die Russen reagierten gelassen auf die Meldung aus den USA. Chefkonstrukteur Sergej Koroljow sagte, „Explorer 1“ könne schon rein größenmäßig mit den „Sputniks“ nicht mithalten. Das Wichtigste für ihn sei jedoch, dass man den Amerikanern zuvorgekommen sei. Dahinter verbarg sich die Furcht Koroljows, in letzter Minute den Wettlauf mit seinem großen Antipoden von Braun noch zu verlieren. Denn dessen Jupiter C-Rakete hatte bereits am 20. September 1956 ihren Jungfernflug erfolgreich absolviert. Damit war eigentlich die Möglichkeit gegeben, vor den Russen den ersten Erdsatelliten auf den Weg zu bringen.
Doch Präsident Dwight D. Eisenhower entschied anders. Er wollte angeblich seine geheimen Satelliten- und Raketenprojekte nicht preisgeben. Zudem befürchtete er, wie es hieß, dass das politische System der USA durch den Übergang zur Technokratie und zur Herrschaft des „militärisch-industriellen Komplexes“ verändert würde. Der Führer der demokratischen Mehrheit im US-Senat, Lyndon B. Johnson, warf ihm daraufhin vor, die Zukunft zu verschlafen und den Ruf Amerikas als globale Führungsmacht aufs Spiel zu setzen.
Diese Kritik und der Start von „Sputnik 2“ am 3. November setzten den Präsidenten so unter Druck, dass er den für den 6. Dezember 1957 anberaumten Test einer kleinen „Vanguard“-Rakete gegen den Rat der Experten zu einem offiziellen Versuch umwidmete, den ersten US-Satelliten zu starten. Der Schnellschuss ging gründlich daneben: Die Rakete mit dem nur 16 Zentimeter großen Satelliten explodierte während einer Live-TV-Übertragung vor den Augen der entsetzten Nation auf der Startrampe. Danach machte das böse Wort vom „Kaputnik“ oder „Flopnik“ die Runde.
„Explorer 1“ war zwar klein, hatte es allerdings in sich. Der Satellit demonstrierte insbesondere die große Überlegenheit der Amerikaner auf dem Gebiet der Miniaturisierung, während die Russen eher ihrem Prinzip der Tonnenideologie anhingen. So war er mit einem Magnetometer und einem Geigerzähler ausgestattet. Diese Geräte registrierten auf der Umlaufbahn zwischen 358 und 2534 Kilometern Höhe eine Zone intensiver kosmischer Strahlung. Sie gilt als die bedeutendste Entdeckung des Internationalen Geophysikalischen Jahres der UNO (1957/58) und erhielt nach ihrem Entdecker den Namen Van-Allen-Gürtel.
Das „Explorer“-Programm wurde bis 1975 mit großem Erfolg fortgesetzt. 55 Satelliten unterschiedlichster Größe lieferten der Wissenschaft viele neue Erkenntnisse in den Bereichen Geophysik, Astronomie, Sonnen- und Meteoritenforschung sowie für interplanetare Missionen.
(Veröffentlicht am 29. Januar 2008)