Berlin – Russlands Raumfahrt hat 2007 auf ihrem Weg aus der Krise, in die sie in den 1990er Jahren geraten war, einen guten Schritt nach vorn getan. Nach Ansicht von unabhängigen Experten ist sie allerdings noch immer weit davon entfernt, sich zivil wie militärisch auf diesem Gebiet auf Augenhöhe mit dem großen Rivalen USA zu bewegen. Allein bei den kommerziellen Startdienstleistungen sei man international wettbewerbsfähig. Noch vor zwei Jahren sei die Lage der russischen Raumfahrt „nicht nur kritisch, sondern schlichtweg katastrophal“ gewesen, sagt Juri Saizew vom Moskauer Institut für Kosmosforschung (IKI). Die Satellitenflotte hatte zu 65 Prozent ihre Garantiefrist schon überschritten, und bei 82 Prozent der militärischen Satelliten war die Einsatzzeit schon voll ausgelaufen. Über ein halbes Jahr musste das Land ohne einen einzigen Himmelsspion auskommen.
Inzwischen ist der Verfall der „orbitalen Gruppierung“, wie die Russen ihre Satelliten auf der Umlaufbahn nennen, aufgehalten. Nach Ansicht von Saizew seien sogar „wichtige Voraussetzungen“ für die Überwindung der Krisenfolgen geschaffen worden. Das betreffe vor allem die militärischen Aktivitäten.
In der Tat: Die Produktion in Moskaus Raketenschmieden wuchs 2007 um 12,7 Prozent – zweieinhalb Mal schneller als in der Wirtschaft insgesamt. Es wurden 20 Trägerraketen gestartet, darunter 9 mit ausländischen kommerziellen Nutzlasten. Sechs Starts erfolgten im Auftrag des Verteidigungsministeriums. Zwei bemannte „Sojus“-Raumschiffe und vier automatische „Progress“-Frachter flogen zur Internationalen Raumstation ISS. Die Satellitenflotte wuchs um rund zehn Prozent auf 101 an. Allerdings haben zwei Drittel davon militärische Aufgaben oder sind dual nutzbar, also militärisch und zivil.
Wesentlich schlechter war es um das wissenschaftliche Weltraumprogramm bestellt. Hier wurde keine der Vorgaben erfüllt. Das Sonnenobservatorium „Koronas-Foton“, das eigentlich schon 2006 starten sollte, und das Radioteleskop „Spektr-Radioastron“, das in internationaler Zusammenarbeit entstand, blieben erneut am Boden.
Dafür wurden sechs neue Satelliten für das Navigationssystem „Glonass“ ins All geschossen, das Präsident Wladimir Putin zur Chefsache erklärt hat. Offiziell wurde Ende 2007 mit nunmehr 18 solcher Raumflugkörper von der Raumfahrtagentur Roskosmos „Planerfüllung“ an den Kreml gemeldet. Die Signale deckten bereits 90 Prozent des Landesterritoriums ab, behauptete ihr Chef Anatoli Perminow. Die Realität sieht jedoch anders aus: Erstens sind noch längst nicht alle Satelliten aktiv, so dass rund 66 Prozent abgedeckt werden. Zweitens sind derzeit nur ganz wenige Empfangsgeräte auf dem Markt, und drittens steht bisher lediglich die Software für Moskau und Umgebung zur Verfügung.
Russlands Raumfahrtindustrie hat 2007 für nur 2,5 bis 3 Milliarden Dollar exportiert. Sie partizipiert damit nur in geringem Maße an dem weltweit boomenden Markt für Satelliten, Navigationsgeräten und Nachrichtendienstleistungen, der auf 90 Milliarden Dollar geschätzt wird. Eine Ursache sieht der 1. Vizepremier Sergej Iwanow darin, dass die Branche „ihre Fähigkeit verloren hat, einen bedeutenden Teil der dafür erforderlichen Geräte und Bauteile zu entwickeln und zu fertigen“. Diese müssten häufig im Ausland zugekauft werden. Einen Ausweg sieht man jetzt im Bau von kleinen unifizierten Satelliten, die mit leichten Trägern oder als Nebennutzlast bei anderen Starts mit ins All gebracht werden können.
Perminow seinerseits beklagt die permanent „unzureichende Finanzierung“ der Raumfahrtprojekte. Experte Saizew macht indes Roskosmos selbst als Problem aus. Der Agentur mangele es angesichts ihres „häufigen Prioritätenwechsels“ an „Konsequenz in ihrem Handeln und in der Planung“, kritisierte er.
(Veröffentlicht am 14. Januar 2008)