Di. Dez 3rd, 2024

Berlin/Moskau – Eigentlich haben die Russen bisher immer die Ansicht vertreten, Flüge zu anderen Planeten seien wegen der enormen Kosten nur in internationaler Zusammenarbeit zu stemmen. Doch angesichts des geplanten nationalen Alleingangs der Amerikaner und anderer Nationen bereiten auch sie jetzt aktiv eine eigene bemannte Mission zum Roten Planeten vor. Der Zeitpunkt dafür steht allerdings noch nicht fest. Optimisten peilen die Jahre 2017/2018 an, wenn sich das nächste günstige „ballistische Fenster“ zwischen Erde und Mars öffnet. Pessimisten halten diesen Termin allerdings wegen der gewaltigen technischen Voraussetzungen, die dafür erst geschaffen werden müssen, für unrealistisch. Schließlich braucht man ein riesiges, hunderte Tonnen schweres Raumschiff mit völlig neuem Antrieb. Eines ist für Russland jedoch klar: Der Flug wird stattfinden und dauert hin und zurück bei optimalen Bedingungen 700 Tage plus 20 bis 30 Tage Aufenthalt auf dem Mars. Auch die Finanzierung scheint gesichert, denn das Projekt ist im Föderalen Raumfahrtprogramm (FKP) verankert. Ein erster Entwurf wurde 2005 unter dem Titel „Bemannte Expedition zum Mars“ erstellt. Dabei schälte sich heraus, dass Zeitpunkt und Kosten der Mission im wesentlichen vom Triebwerkstyp abhängen, wie Chefkonstrukteur Witali Semjonow vom Moskauer „Keldysch“-Forschungszentrum sagte, der zu den Vätern des Projekts gehört. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge erhält das Raumschiff elektroreaktive Motoren, die von Sonnenenergie gespeist werden. In der ersten Etappe des Projekts sind fünf unbemannte Expeditionen zum Mars geplant. Dabei soll auch ein mehrfach verwendbarer Bugsierer zum Einsatz gekommen. Ziel ist die Erkundung des geeigneten Platzes für eine Marsbasis. Dieser muss vor allem die erforderlichen Voraussetzung für die Landung und den Rückstart erfüllen. Ferner soll es dort nach Möglichkeit unterirdische Wasservorräte geben. Die Wissenschaftler wünschen sich zudem ein Gebiet mit den größten Chancen für die Entdeckung von Lebensspuren. Doch bevor es losgehen kann, müssen neben den technischen auch zahlreiche medizinische und biologische Probleme gelöst werden. Denn der Mensch ist das schwächste Glied des Jahrhundertvorhabens. Zwar hat der russische Arzt Waleri Poljakow 1994/95 in der Raumstation MIR bei einem Selbstversuch mit seinem 438-Tage-Flug schon den prinzipiellen Beweis erbracht, dass es offenbar keine Grenzen für Langzeitmissionen gibt. Allerdings bereitet auf dem langen Weg zum Mars die kosmische Strahlung den Experten Kopfzerbrechen. Dieser Gefahr soll damit begegnet werden, dass man die Treibstoff- und -wassertanks rund um die Wohnsektion gruppiert. Ernähren werden sich die Mars-Fahrer weitgehend wie heute die Kosmonauten: Sie bereiten ihre Trockennahrung mit Wasser auf, das aus einem geschlossenen Kreislauf kommt. Ergänzt wird der Speiseplan durch frische Vitamine aus einem „kosmischen Gemüsegarten“, dessen Prototyp im Moskauer Institut für Medizinsch-Biologische Probleme (IMBP) entwickelt wurde. Die psychologischen Aspekte der 520-Tage-Abenteuers sollen 2008 im Rahmen der Mission „Mars-500“ realitätsnah auf der Erde durchgespielt werden. Sechs Kandidaten, darunter auch zwei von der Europäischen Weltraumorganisation ESA, imitieren den Flug in hermetisch abgeschlossenen Modulen. Dabei soll vor allem herausgefunden werden, wie Menschen unter normalen wie außergewöhnlichen Bedingungen auf eine solche Strapaze reagieren. 90 Bewerber aus 19 Staaten wurden bereits ausgewählt. Darunter sind lediglich sechs Frauen und ein Ehepaar. Denn die Russen räumen den Vertreterinnen des „schönen Geschlechts“ nur sehr geringe Chancen ein, als erste ihre Fuß auf den Mars zu setzen – aus „physiologischen und psychologischen“ Gründen, wie sie sagen.
(Veröffentlich von der Nachrichtenagentur ddp)

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