Berlin/Moskau — Die Aera der russischen „Sojus“-Raumschiffe scheint sich dem Ende zu nähern. Nach einer beispiellosen Erfolgsgeschichte von gut 40 Jahren wird ein Nachfolger fuer die kleine Kapsel gesucht, deren technische Moeglichkeiten nach dreimaliger Modernisierung nun erschoepft sind. Noch in diesem Jahr soll eine Ausschreibung fr das neue Raumschiff auf den Weg gebracht werden, das erheblich groesser als die dreisitzige „Sojus“ sein und zudem nicht nur zur Internationalen Raumstation ISS, sondern auch zum Mond fliegen soll. Wenn alles nach Plan läuft, soll es 2015 zur Verfuegung stehen – also in etwa zeitgleich mit der US-amerikanischen „Orion“-Kapsel.
Eigentlich wollte Russland das neue Raumschiff gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA bauen. Moskau hoffte vor allem auf westeuropäisches Kapital fuer die Umsetzung seines „Clipper“-Projekts. 2005 war auf dem Luft- und und Raumfahrtsalon von den Toren der russischen Hauptstadt bereits ein naturgetreues Modell des schnittigen Sechssitzers zu bewundern. Doch die Zusammenarbeit kam ber die Studienphase nicht hinaus. Die ESA wollte sich nicht mit der Rolle eines „Financiers“ abfinden. Die Europäer, die selbst Ambitionen auf ein eigenes bemanntes Trägersystem haben, wollten eine gleichberechtigte Kooperation, die Russland aber nicht zu bieten bereit war.
Deshalb verkuendete der Chef fr die bemannten Raumfahrtprogramme der Russen, Alexej Krasnow, Ende Januar, es werde kein solches gemeinsames System mit der ESA geben. „Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass unsere Entwicklungsvektoren bezueglich dieser Richtung auseinanderdriften“, sagte er zur Begruendung.
Der Siegerentwurf der nationalen Ausschreibung soll ab 2010 bei „Energija“ in Koroljow bei Moskau gebaut werden. Doch bevor auch nur das erste Vorschlag vorliegt, hat der Generaldirektor und Chefkonstrukteur des fuehrenden russischen Raumfahrtkonzerns, Witali Lopota, schon einmal vorgegeben, wie das wiederverwendbare Raumschiff der Zukunft aussehen sollte. Priorität hätten die Sicherheit der Besatzung und die Mglichkeit, sie in allen Flugphasen retten zu koennen, sagte er. Erforderlich seien zudem ein neues Frachtraumschiff, eine neue Trägerrakete mit mindestens 23 Tonnen Nutzlast und ein neues Kosmodrom.
Was die Konfiguration angeht, geben Lopota und seine Ingenieure wie bei „Sojus“ der bewährten Glockenform den Vorzug vor einer Version mit Tragflächen, wie sie die USA bei ihren Shuttles verwenden. Allerdings soll die Kapsel nicht mehr am Fallschirm zur Erde zurueckkehren, sondern mit Hilfe eines sogenannten reaktiven Landesystems, wie es die Amerikaner auf dem Mond eingesetzt haben. Das habe den Vorteil, dass man „zu jeder Zeit, ueberall und unter allen Bedingungen“ landen koenne. Der ballistische Abstieg der Kapsel bringe allerdings erhebliche Ueberbelastungen fr die Besatzung mit sich.
Lopota ist sich zudem sicher, dass das neue Raumschiff wie seine „Wostok“-, „Woschod“- und „Sojus“-Vorgänger vollautomatisch sein muss. Der Mensch an Bord sei nur die „Ausweitung der funktionalen Moeglichkeiten fr die Erfuellung der verschiedenen Aufgaben, die bisher noch nicht von einem Automaten uebernommen werden koennen“, argumentierte er. Die Kapsel muesse zudem bei gleicher Nutzlast „leichter und manoevrierfhiger“ als die amerikanischen, japanischen und europäischen Konkurrenten sein und aus Wettbewerbsgrnden 2015 die Flugtests aufnehmen.
(Veroeffentlicht am 19 Februar 2009)