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Credit: Roskosmos

Baikonur, 28. Mai 2014 — Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst ist auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS. Gemeinsam mit dem Russen Maxim Surajew und dem Amerikaner Reid Wiseman stieg er am Mittwochabend um 21.57 Uhr deutscher Zeit (23.57 Uhr Moskauer Zeit) an Bord des Raumschiffes „Sojus TMA-13M“ vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan zu seiner Halbjahresmission auf. Die automatische Ankopplung an der Station nach vier Erdumkreisungen ist für Donnerstagmorgen um 03.48 Uhr geplant.

Die dritte Stufe der imposanten „Sojus-FG“-Trägerrakete, auf der das Raumschiff mit den Männern thronte, trug erstmals eine rostrote Bauchbinde mit dem Emblem eines „Subjekts der Russischen Föderation“, wie die Raumfahrtagentur Roskosmos mitteilte. Dabei handelte es sich um das Emblem der fernöstlichen Amur-Region, wo Russland gerade sein neues Kosmodrom „Wostotschny“ baut, mit dem es sich von Kasachstan unabhängig machen will.
Für Gerst und Wiseman ist das der erste Flug, für ihren „Sojus“-Kommandanten Surajew bereits der zweite. 2009/10 war er schon einmal 169 Tage in der Station.

Mit dem Trio erreicht die 40. ISS-Stammbesatzung ihre Sollstärke von sechs Mitgliedern. Derzeit arbeiten die Russen Alexander Skworzow und Oleg Artemjew unter dem Kommando ihres US-Kollegen Steve Swanson allein auf der Umlaufbahn.
Dem perfekten Nachtstart vom Startplatz Nr. 1, der Gagarin-Rampe, wohnten neben den Chefs von Roskosmos, ESA und DLR, Oleg Ostapenko, Jean-Jacques Dordain und Johann-Dietrich Wörner, sowie den Familienmitgliedern der Astronauten auch die beiden ersten Deutschen im All, Sigmund Jähn und Ulf Merbold, bei.
1978 war Jähn von der Rampe, von der Juri Gagarin am 12. April 1961 mit seinem „Wostok“-Raumschiff als erster Mensch in den Weltraum aufbrach, zur sowjetischen Raumstation „Salut 6“ gestartet. 16 Jahre  später folgte ihm Merbold bei seiner MIR-Mission, nachdem er zuvor bereits zweimal mit einem US-Shuttle (1983 und 1992) unterwegs war.
Gerst ist nach Thomas Reiter (2006) und Hans Schlegel (2008) der dritte Deutsche in der ISS. Die 166-Tage-Reise steht unter dem Motto „Blue Dot“ („Der blaue Punkt“). Es symbolisiert den Anblick der Erde aus dem fernen Weltraum und soll zeigen, dass die Raumfahrt dem Wohl und Schutz unseres Planeten dient.
Gerst wird über 100 Experimente durchführen, von denen viele unser künftiges Leben positiv beeinflussen werden, wie er hofft. 35 davon kommen aus Europa, vor allem aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Landung ist für den 11. November vorgesehen.

Der 38 Jahre alte promovierte Geophysiker aus Schwaben ist der elfte Deutsche im All, der nach Thomas Reiter zweite deutsche Langzeitflieger und der sechste Deutsche, der mit einem russischen „Sojus“-Raumschiff aufsteigt.
Der Start ist der 120. bemannte Start einer „Sojus“-Rakete mit einer gleichnamigen Raumkapsel. Der erste fand 1967 statt und endete für den sowjetischen Kosmonauten Wladimir Komarow tödlich, weil das Fallschirmsystem der technisch noch nicht ausgereiften Kapsel bei der Landung versagte. Die Sowjetführung unter Nikita Chruschtschow hatte jedoch auf dem Start bestanden, um den 50. Jahrestag der Oktoberrevolution mit einem neuen spektakulären Weltraumerfolg zu feiern. Gagarin selbst, der als Double von Komarow fungierte, hatte in einer mutigen Intervention von Chruschtschow gefordert, den Start zu verschieben, wurde jedoch nicht gehört.
Vier Jahre später kamen drei sowjetische Kosmonauten in ihrem Raumschiff  „Sojus 11“ um, weil sich beim Landeanflug ein Frischluftventil zu früh öffnete. Seither blieben die Russen von tödlichen Raumfahrtunfällen verschont, während die Amerikaner 1986 und 2003 die Shuttles „Challenger“ und „Columbia“ verloren. Dabei kamen 14 Astronauten ums Leben, darunter der erste Israeli im All.
© Gerhard Kowalski