Berlin, 27. Mai 2014 – Das Raumschiff „Sojus TMA-13M“, mit dem Alexander Gerst und Reid Wiseman am Mittwochabend zur Internationalen Raumstation ISS starten, wird von einer der schillerndsten Persönlichkeiten der neuen russischen Kosmonauten-Garde gesteuert: Maxim Surajew. Der Ex-Luftwaffenoberst, der am 25. Mai 42 Jahre alt geworden ist, hat sich bei seinem ersten Halbjahreseinsatz in der ISS von September 2009 bis März 2010 nicht nur als exzellenter Kosmos-Profi erwiesen. Er machte auch durch viel Humor und noch mehr Zivilcourage von sich reden.
So war Surajew nicht nur dem Chef des kanadischen „Cirque du Soleil“, Guy Laliberté, der mit ihm als Weltraumtourist zur ISS flog, ein kongenialer Partner. Sondern er verweigerte auch ausdrücklichen den Befehl von der Erde, eine außerplanmäßig angebaute Weizenkultur zu vernichten.
Der Russe hatte irgendwo an Bord Saatgut gefunden und es kurzerhand im Bordgewächshaus ausgebracht. Zur Überraschung aller entstanden daraus kräftige Weizenhalme, die zum ersten Mal in der Schwerelosigkeit auch komplette Ähren ausbildeten – eine kleine biologische Sensation.
Die Nachricht stieß im Flugleitzentrum bei Moskau bei den zuständigen Wissenschaftlern allerdings auf wenig Begeisterung. Mehr noch: Sie wiesen den Kosmonauten strikt an, die Halme abzuschneiden. Doch der antwortete den „Genossen Wissenschaftlern“, dass diese so schön aussähen und er es deshalb nicht übers Herz brächte, sie zu kappen.
Eine solche „Befehlsverweigerung“ hatte es bis dato in der sowjetisch-russischen Raumfahrt wohl noch nicht gegeben. Und viele Beobachter und Journalisten orakelten schon, dass das Surajew den Platz im Kosmonauten-Korps kosten werde.
In der Tat wurde er damit bestraft, dass ihm nach der Rückkehr zur Erde zunächst die traditionelle Auszeichnung mit dem Goldenen Stern eines „Helden der Russischen Föderation“ verweigert wurde. Mehrfach lehnte das zuständige Verteidigungsministerium entsprechende Anträge mit dem Hinweis ab, dass dafür keine ausreichenden Gründe vorlägen.
Doch der Kosmonaut ließ nicht locker und forderte den Heldenstern mit dem Argument ein, wer, wenn nicht die Raumfahrer, die bei ihrer Arbeit Kopf und Kragen riskierten, eine solche Auszeichnung wohl dann verdient habe.
Schließlich griff der damalige Ministerpräsident Wladimir Putin in die Auseinandersetzung ein, so dass Surajew zu seinem Stern kam. Damit war auch seine Karriere gerettet.
Der Kosmonaut nutzte damals auch gleich die Gunst der Stunde und beklagte sich vor laufenden TV-Kameras bei Putin, dass er auch noch keine eigene Wohnung habe. Zum Entsetzen der Raumfahrt-Oberen fordert er von der Versicherung zudem eine Art Schmerzensgeld für eine Verletzung, die er sich bei der sehr harten Landung seines Raumschiffes in der kasachischen Steppe zugezogen hatte.
Ausdrücklich gelobt wurde Surajew indes dafür, dass er als erster russischer Kosmonaut aus der ISS bloggte. Mit Sprachgewalt und verblüffender Offenheit berichtete er tagtäglich über das Geschehen an Bord und erntete dafür vor allem bei der jungen Generation der Russen, die nicht sonderlich an der Raumfahrt interessiert ist, viel Beifall und Anerkennung.
Ein bisschen von der Widerborstigkeit Surajews scheint auch auf seine Töchter abgefärbt zu haben. Denn sie verweigerten ihrem Vater jetzt die Herausgabe des kleinen Plüschlöwen, den er bei seinem ersten Flug als „Schwerelosigkeit-Indikator“ in der „Sojus TMA-16“-Kapsel hatte.
Nach einem ungeschriebenen Gesetz hat bei den Russen der Kommandant das Recht, ein Maskottchen oder einen Talisman seiner Wahl (Foto r.), wie sie im Volksmund genannt werden, mitzunehmen. Die hängen dann an der Decke des Raumschiffs und beginnen in dem Moment zu schweben, wenn etwa neun Minuten nach dem Start die Schwerelosigkeit eintritt. Die Kosmonauten wissen dann, dass sie im Weltraum sind.
Surajew diskutierte diesmal nicht lange mit seinen jungen Damen, sondern trat kurzerhand das Indikatoren-Recht an seinen US-Bordingenieur Wiseman ab. Der hatte von seinen beiden Töchtern eine braungescheckte Plüschgiraffe mit auf den Weg ins All bekommen. Jetzt gelangt diese also noch zu zusätzlicher offizieller Berühmtheit. Gersts Maskottchen, eine Plüschmaus, kann da nur neidisch zugucken.
© Gerhard Kowalski