Berlin/Moskau — Trotz der weltweiten Krise will Russland 2009 zu einem Rekordjahr seiner Raumfahrt machen. Die Raumfahrtagentur Roskomos plant insgesamt 39 Raketenstarts – 12 mehr als 2008 und 13 mehr als 2007. Die Regierung von Wladimir Putin stellt dafür die nicht minder rekordverdächtige Summe von 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung.
Mit der erfolgreichen Erfüllung der ambitionierten Pläne will Russland die Voraussetzungen für ein neues Föderales Zielprogramm (FZP) schaffen, mit dem die Ergebnisse der Raumfahrt verstärkt für die sozial-ökonomische Entwicklung des Riesenreiches nutzbar gemacht werden sollen. Dem dient auch die Bündelung der Kapazitäten der 64 Forschungsinstitute, Konstruktionsbüros und Unternehmen der Branche mit ihren 250 000 Beschäftigten in einer staatlichen Raketen- und Raumfahrtkorporation.
Knapp ein Viertel aller Starts im neuen Jahr gilt der Versorgung der Internationalen Raumstation, in die Russland nach wie vor den Löwenanteil seines Geldes investiert. Gleich viermal sollen bemannte „Sojus“-Raumschiffe die ISS anfliegen – doppelt soviel wie bisher. Damit wird gesichert, dass ab Ende Mai die Stammbesatzung von bisher drei auf sechs Mitglieder erhöht werden kann. Die Crew erreicht dadurch ihre Soll-Stärke, so dass die wissenschaftlichen Kapazitäten der Station wesentlich besser ausgeschöpft werden können. Mit dabei ist auch der Belgier Frank de Winne, der im Auftrag der europäischen Weltraumorganisation ESA der ersten Sechserbesatzung angehört und zeitweise auch deren Kommando übernimmt.
Die Russen schicken zudem fünf unbemannte „Progress“-Frachter mit Nachschub auf die Umlaufbahn. Einer der Transporter bringt dabei ein kleines Forschungsmodul als vierten Baustein des russischen Segments zur ISS. Das Modul hat zwei Arbeitsplätze und erweitert das Raumangebot um zwölf Kubikmeter. Damit kommen die Russen ihrem geplanten Forschungsziel in der Station einen guten Schritt näher. Bis 2015 sind noch weitere fünf Labor-, Service- und Kopplungsmodule geplant.
Mit 17 kommerziellen Satellitenstarts für ausländische und einheimische Auftraggeber rangiert Russland 2009 erneut an der Weltspitze. Allerdings ist das Land Juri Gagarins und des ersten Sputniks inzwischen überhaupt nicht mehr glücklich mit seiner Rolle nur als führender „kosmischer Lohnkutscher“. Immerhin hat es seit fast zehn Jahren keinen eigenen Wissenschaftssatelliten mehr gestartet. Das soll sich jetzt mit dem Sonnenobservatorium „Koronas-Photon“ ändern, das am 29. Januar ins All geschossen wird. Die knapp zwei Tonnen schwere Sonde soll die harte Röntgen- und Gammastrahlung des Zentralgestirns untersuchen. Später im Jahr sollen noch zwei „Bion“-Biosputniks und das astrophysikalische Labor „Spektr-Radioastron“ folgen.
Putins kosmisches Lieblingsprojekt „Glonass“, das nicht n ur der nationalen Sicherheit und der Wirtschaft dient, sondern die Raumfahrttechnik auch für jedermann zugänglich machen soll, geht zudem zügig der Vollendung entgegen. Mit dem Start von sechs neuen Satelliten soll das weltraumgestützte Navigationssystem Ende des Jahres voll das gesamte russische Territorium abdecken. Derzeit funktioniert es nur zu 100 Prozent über Sibirien, im europäischen Teil und im Fernen Osten des Riesenreiches fehlen noch zwischen drei und acht Prozent. Und 2011 soll der Konkurrent zum amerikanischen GPS- und zum europäischen „Galileo“-System global verfügbar sein.
(Veröffentlicht am 21. Januar 2001)