Sotschi, 7. Februar 2014 – Lange hat die Welt gerätselt, wem wohl die Ehre zuteil werde, das Olympische Feuer der Winterspiele von Sotschi zu entzünden. Um 19.54 Uhr deutscher Zeit kam am Freitagabend die Antwort: Die Eiskunstlauflegende Irina Rodnina und der ebenfalls legendäre Eishockey-Tormann WladislawTretjak waren die Glücklichen.
Gerüchte, dass vielleicht die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS zum Zuge käme, bewahrheiteten sich nicht. Das wäre vor allem für ISS-Kommandant Oleg Kotow ein ganz besonderer Moment gewesen. Denn als Sotschi auf der 119. IOC-Versammlung 2007 in Guatemala-Stadt den Zuschlag bekam, war er ebenfalls im All.
Dennoch hatte die grandiose Eröffnungszeremonie viele kosmische Akzente. So durften die Kosmonauten Sergej Krikaljow, Fjodor Jurtschichin, Roman Romanenko und Swetlana Sawizkaja sowie Elena Serowa, die im Herbst zur ISS startet, die russische Fahne hissen, und die erste Frau im All, Walentina Tereschkowa, gehörte zu den acht Persönlichkeiten, die das olympische Banner in die Arena trugen. Bei der Vorstellung der Landesgeschichte fehlten natürlich auch Namen und Begriffe wie Juri Gagarin, Konstantin Ziolkowski, Sputnik, Wostok und Raumstation nicht.
Seit der Nominierung von Sotschi haben alle russischen Kosmonauten die Entwicklung des beliebtesten Sommerkurorts der Russen zur Stadt der Winterolympiade aufmerksam und aktiv aus dem All verfolgt. Mit ihren Kameras hielten sie aus der Station alles dokumentarisch im Bild fest. Zusammen mit den Aufnahmen von Erderkundungssatelliten erstellten sie damit in den vergangenen sieben Jahren eine einmalige Chronik der Entwicklung der Region am Schwarzen Meer, die sich heute als glänzender Gastgeber präsentiert und auf die die Russen trotz aller politischen, kommunalen und finanziellen Querelen mächtig stolz sind.
Ein gutes Dutzend Kosmonauten und Astronauten hat sich auch am kosmischen Fackellauf über 65.000 Kilometer beteiligt – auf der Erde und im All. Der letzte war der Chef des Kosmonauten-Ausbildungszentrums „Juri Gagarin“ im „Sternenstädtchen“ bei Moskau, Sergej Krikaljow. Auch er ist Weltmeister, wenn auch nicht in einer olympischen Disziplin. Mit 803 Tagen im All bei sechs Raumflügen hält er den Langzeitflugweltrekord.
Am 9. November vergangenen Jahres hatten Kotow und Sergej Rjasanski eine speziell präparierte Olympia-Fackel zu einer Fotosession mit in den freien Weltraum genommen – ein bislang einmaliges Unterfangen in der Geschichte der Raumfahrt und auch Olympias. Damals kam der Verdacht auf, dass das noch nicht die letzte Überraschung gewesen sein könnte, die sich Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich ausgedacht hatte.
Die Fackel ist aber von den Raumfahrern aus Russland, den USA, Europa und Japan durch alle ISS-Sektionen getragen worden – angefangen vom japanischen KIBO- und dem europäischen „Columbus“-Modul über das amerikanische bis hin zum russischen Segment.
Kosmischer Fackelträger Europas war der Italiener Luca Parmitano. Er brachte das kostbare Gerät, das natürlich ohne Flamme unterwegs war, nach dem viertägigen Ausflug ins All am 11. November zusammen mit dem Russen Fjodor Jurtschichin und der Amerikanerin Karen Nyberg auch wieder wohlbehalten auf die Erde, wo es seinen Weg fortsetzte.
Kotow und seine russischen Kollegen wehren sich vehement dagegen, den kosmischen Fackellauf als einen besonders geschickten und eigentlich überflüssigen PR-Trick Putins anzusehen. Als Beweis dafür führen sie an, dass auch ihre Kollegen aus den USA, Japan und Europa gern an dieser Aktion teilgenommen haben. Die Olympioniken und die Kosmonauten bewiesen übrigens ständig gleichermaßen, „dass der Mensch vieles zu leisten imstande ist“.
© Gerhard Kowalski