Credit: G. Kowalski
- Credit: G. Kowalski
Neubrandenburg, 12. November 2013 – So etwas hat es bei den Neubrandenburger Raumfahrttagen noch nicht gegeben: Außerhalb des offiziellen Programms der 29. Ausgabe der traditionsreichen Veranstaltung feierten am Wochenende Dutzende in Deutschland lebende Vietnamesen stürmisch ihren Landsmann und Nationalhelden Pham Tuan.
Der erste und bisher einzige vietnamesische Kosmonaut war zusammen mit seinem US-Astronauten-Kollegen Lodewijk van den Berg Stargast der Raumfahrttage. Am Freitagabend nahmen sie im Lokal „Tin Phan“ am traditionellen Raumfahrerempfang teil und erfüllten nach dem gemeinsamen Essen auch geduldig die Autogrammwünsche der zahlreichen Kosmos-Fans, die aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland angereist waren.
Als nach Ende der Veranstaltung die meisten bereits das Lokal verlassen hatten, erklangen auf einmal Lieder vor der Tür. Dargebracht wurden sie für Pham Tuan und seine Frau von Vietnamesen, die aus einem Umkreis von 100 Kilometern angereist waren, um ihren berühmten Landsmann zu sehen und zu feiern.
Dem kleinen Konzert unter freiem Himmel folgte ein Kulturprogramm in dem Lokal selbst, das von Kindern in Nationaltracht und im Break-Dance-Outfit dargebracht wurde.
Der Kosmonaut kam aus dem Staunen nicht heraus: „Da fliege ich über Tausende von Kilometern nach Deutschland und lande gewissermaßen in einer zweiten Heimat. Ich habe gar nicht gewusst, dass es hier so viele Vietnamesen gibt. Ich bin gerührt, mit welcher Herzlichkeit sie mich zu später Stunde begrüßt haben“, sagte der Generalleutnant der vietnamesischem Luftwaffe, der 1980 mit dem sowjetischen Kosmonauten Wiktor Gorbatko für eine Woche zur Raumstation Salut-6 geflogen ist.
Am Samstag haben dann Pham Tuan und Lodewijk van den Berg, der 1985 mit einem Space Shuttle unterwegs war, in der Aula des Albert-Einstein-Gymnasiums einem großen Fachpublikum von ihrer Forschungsarbeit auf der Umlaufbahn berichtet. Ganz sachlich schilderte Pham Tuan dabei auch, wie er es von einem Militärpiloten zum Kosmonauten brachte. Einer der Gründe war, dass er damals im Krieg gegen die Amerikaner einen B-52-Bomber über Hanoi abgeschossen hat und damit zum Nationalhelden wurde. Diesen Status hat er dann durch seinen Raumflug noch gefestigt.
Natürlich blieb in der anschließenden Diskussion die Frage nicht aus, welche Gefühle die Männer bewegten, deren Länder sich ja einst feindlich gegenüber gestanden haben. Beide sagten, das sei inzwischen Geschichte. Jetzt schaue man nach vorn. Ihre gemeinsame Erfahrung sei, dass aus dem Weltraum weder geografische noch politische Grenzen zu sehen seien. Zudem hätten sie sich mit eigenen Augen überzeugen können, wie zerbrechlich die Erde sei, die es deshalb mit allen Mitteln zu schützen gelte.
Van den Berg schenkte dem Vietnamesen am Schluss der Raumfahrttage ein großes Foto von sich im Astronauten-Dress mit der Widmung in russischer Sprache: „Meinem vietnamesischen Freund Pham Tuan, einem kühnen Mann, zur freundlichen Erinnerung.“
Auf meine Frage, wie es zu dem Abschuss des US-Bombers gekommen sei, sagte mir der General später: „Es war Nacht. Der Bomber war nur zwei Kilometer von meiner MiG entfernt. Da habe ich geschossen.“ Noch heute erinnerten in ganz Hanoi Trümmer der Maschine mahnend an den Krieg der USA gegen sein Land.
Mit der Multispektralkamera MKF-6 aus Jena habe er aus der Raumstation Aufnahmen von der durch die Entlaubungsaktion der Amerikaner stark in Mitleidenschaft gezogenen Vegetation seines Landes gemacht, betonte der Kosmonaut. Die Aufnahmen der DDR-Kamera hätten Vietnam sehr bei der Wiederherstellung der zerstörten Wälder geholfen.
© Gerhard Kowalski