Mi. Okt 2nd, 2024
Credit: Roskosmos

Moskau/Dsheskasgan, 11. September  2013 – Jetzt kann mit gut einer Woche Verspätung die irdische Geburtstagsparty für Pawel Winogradow steigen. Der älteste aktive Kosmonaut der Russen, der am 31. August seinen 60. Geburtstag in der Internationalen Raumstation ISS gefeiert hat, ist nach 166 Tagen im All am Mittwoch wieder wohlbehalten zur Erde zurückgekehrt. Mit an Bord des Raumschiffes „Sojus TMA-08M“, das um 4.58 Uhr deutscher Zeit (08.58 Uhr Ortszeit) rund 146 Kilometer südöstlich der kasachischen Stadt Dsheskasgan weich landete, waren  auch sein Landsmann Alexander Missurkin und der Amerikaner Chris Cassidy. Die Kapsel hatte um 1.35 Uhr von der ISS abgedockt.

Für die schnelle Bergung der Männer standen 200 Militärs mit 14 Hubschraubern, 4 Flugzeugen und 17 geländegängigen Fahrzeugen bereit. Das perfekte Landewetter mit  wolkenlosem Himmel machte ihnen die Arbeit leicht. Allerdings wehte ein heftiger Wind.

Winogradow, der nach seiner dritten Langzeitmission nunmehr 546 All-Tage auf seinem Konto hat, wurde als Erster aus der Kapsel geborgen, die auf der Seite lag. Er strahlte mit der kasachischen Sonne um die Wette, grüßte winkend, trank mit sichtbarem Genuss Mineralwasser aus einem Plastebecher und telefonierte dann angeregt offenbar mit seiner Familie.

Auch Cassidy und Missurkin, der als Letzter geborgen wurde, waren bester Laune. Nach einem ersten medizinischen Check in einem Rot-Kreuz-Zelt wurden die Männer per Helikopter nach Karaganda geflogen, von wo aus die Russen die Heimreise ins „Sternenstädtchen“ bei Moskau und der Amerikaner nach Houston in Texas antraten.

Im „Sternenstädtchen“ werden Winogradow und Missurkin, die im Laufe ihrer Mission 42 wissenschaftliche Experimente durchgeführt haben, sicher von vielen Offiziellen und natürlich von ihren Familien mit einem großen Bahnhof empfangen. Nach der Wiederanpassungsphase an die irdischen Bedingungen nach der langen Arbeit in der Schwerelosigkeit kann Winogradow auch mit einer besonderen staatlichen Ehrung rechnen. Denn Präsident Wladimir Putin hatte ihm zum Geburtstag „gute Gesundheit und Humor“ gewünscht und hinzugefügt, dass er auf seine Rückkehr auf die Erde warte. Hoffentlich verzeiht man dem Kosmonauten auch, dass bei seinem Außenbordeinsatz eine Experimente-Box für immer im Weltraum verschwand, weil sie nicht korrekt gesichert war.

Winogradow, der nach 1997 und 2006 bereits das dritte Mal seinen Geburtstag im Weltraum feierte, hatte das Kommando der Station am Montag an seinen Landsmann Fjodor Jurtschichin übergeben, der zusammen mit Karen Nyberg (USA) und Luca Parmitano (ESA/Italien) die Arbeit nunmehr als 37. Stammbesatzung fortsetzt.

Am Sonntag hatten die drei Russen von ihrem Wahlrecht zu den Moskauer Oberbürgermeister- und Gouverneurswahlen Gebrauch gemacht. Über einen speziellen Nachrichtenkanal übermittelten sie ihrer Vertrauensperson im Flugleitzentrum (ZUP) in Koroljow bei Moskau, Pressesprecher Dmitri Shukow, ihre Wahlentscheidung. Dieser trug sie in die Stimmzettel ein, die er dann im Großen Saal vor den Augen vieler Mitarbeiten in die Wahlurnen steckte.

Mit seinen 60 Jahren ist Winogradow nunmehr der älteste aktive der rund 120 russischen Kosmonauten. Bisheriger Rekordhalter war Waleri Rjumin, der seinen 4. Raumflug 1998 mit 58 Jahren absolviert hat. Er war damals allerdings mit dem US-Shuttle „Discovery“ unterwegs, der wesentlich bequemer als die enge „Sojus“-Kapsel war.

Absoluter Altersrekordler unter den bislang gut 530 Raumfahrern aus knapp 40 Ländern ist der US-Amerikaner  John Glenn. 36 Jahre nach seinem Flug als erster Amerikaner ins All vom 20. Februar 1961 war der Ex-Senator als 77-Jähriger 1998 noch einmal mit einem Shuttle im Weltraum und hat das Abenteuer problemlos überstanden.

Bislang  jüngster Mensch im All ist und bleibt der Russe German Titow (1935-2000). Er war 25 Jahre alt, als er nur vier Monate nach Juri Gagarin am 6. August 1961 als zweiter Kosmonaut der Welt in seiner „Wostok“-Kapsel vom  Kosmodrom Baikonur abhob und nach gut 25 Stunden wieder sicher landete.

Winogradow wurde am 31. August 1953 in Magadan im Fernen Osten Russlands geboren. Ein interessantes Detail am Rande: Knapp 300 Kilometer von seinem Geburtsort entfernt musste Chefkonstrukteur Sergej Koroljow Ende der 1930-er Jahre unter Stalin in einer Goldgrube Zwangsarbeit leisten.

Der Absolvent des Moskauer Luftfahrt-Instituts MAI hat vor seiner Aufnahme ins Kosmonautenkorps in verantwortlicher Position beim Raumfahrtkonzern RKK „Energija“ in Koroljow bei Moskau gearbeitet und gehörte auch dem „Buran“-Team an. Vor dem Start zu seiner 166-Tage-Mission hatte er freimütig bekannt: „Der 60. Geburtstag ist für mich ein eher trauriger Feiertag. Besser wäre der 30. oder 40.“

Der nächste bemannte Start zur ISS ist für den 25. September geplant. Das Raumschiff „Sojus TMA-10M“ bringt die Russen Oleg Kotow und Sergej Rjasanski sowie den Amerikaner Michael Hopkins auf die Umlaufsbahn. Mit ihnen erreicht die Crew wieder ihre Soll-Stärke.

© Gerhard Kowalski