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Credit: Roskosmos

Moskau, 5. August 2013— Die russische  Raumfahrt ist nach Einschätzung von Vizepremier Dmitri Rogosin am Rande ihrer Möglichkeiten angelangt. Die Branche sei überdimensioniert, leide an Mehrfachfunktionen und werde schlecht geleitet, sagte Rogosin am Montag in Moskau auf einer Sitzung der Untersuchungskommission für den Absturz der Proton-M-Trägerrakete mit drei Satelliten an Bord am 2. Juli auf dem Kosmodrom Baikonur (Kasachstan). Es fehle eine einheitliche Wissenschafts- und Technikpolitik.

Während sich in den USA vier und in China zwei Unternehmen mit dem Bau von Satelliten befassten, seien es in Russland zehn, betonte Rogosin. Überall werde Doppelarbeit gemacht. Zugleich habe die Branche ihr wissenschaftliches Potenzial weitgehend ausgeschöpft. Zwischen 2007 und 2011 seien lediglich 132 wissenschaftlich-technische Neuerungen registriert worden, in den USA seien es dagegen 716 und in der EU 658 gewesen. Der tiefere Grund dafür seien die „unklaren Vorstellungen“ in Russland von der Weiterentwicklung der Branche.

Zugleich äußerte der Vizepremier Zweifel am Sinn der hohen Ausgaben seines Landes für die bemannte Raumfahrt. „Was müssen wir hier noch beweisen?“, fragte er. „Dass wir immer länger fliegen können?“ Das sei doch schon  bewiesen.

Für den Chef der Raumfahrtagentur Roskosmos, Waldimir Popowkin, tragen die Konstrukteure und Technologen des Proton-Herstellers „Chrunitschew“ die Hauptschuld am Absturz der Rakete. Nur sie hätten gewusst, dass die drei Sensoren auch falsch eingebaut werden können, sagte Popowkin. Künftig würden alle Montageschritte auf Videos oder Fotos dokumentiert. Rogosin erklärte dagegen, auch die zuständigen Roskosmos-Funktionäre trügen eine Mitverantwortung. Zugleich kritisierte er laut RIA Nowosti, dass die Agentur nicht die Nachfrage der inländischen Kunden nach kosmischen Dienstleistungen stimuliere und beispielsweise auch  in der Erdfernerkundung nicht mit den staatlichen Organen und kommerziellen Organisationen zusammenarbeite, sondern sich nur mit Starts befasse.

Die Sensoren für die Winkelgeschwindigkeit, die sich zudem an einer schwer zugänglichen Stelle befinden, waren um 180 Grad versetzt montiert worden, was zu dem Absturz der schweren Rakete kurz nach dem Start führte.

Die Proton-Flüge sollen indes im September wieder aufgenommen werden. Popowkin rechnet damit, dass bis zum Jahresende noch vier bis fünf dieser Raketen ins All geschossen werden.

© Gerhard Kowalski