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Berlin/Moskau, 23. November 2012 — Der Russe Boris Jegorow (1937-94) war der erste Arzt im Weltraum. Im Oktober 1964 diente er seinen Landsleuten Wladimir Komarow und Konstantin Feoktistow gewissermaßen als Hausarzt an Bord des Raumschiffes „Woßchod-1 „. Er beobachtete während der 24-stündigen Mission den Zustand ihres zentralen Nervensystems und ihre Arbeitsfähigkeit sowie den Einfluss der Flugfaktoren auf ihr Herz-Kreislaufsystem und die Zusammensetzung des Blutes. Zudem kontrollierte er den Gasaustausch in der Kabine und die Funktionstüchtigkeit der Lebenserhaltungssysteme des Raumschiffes.

Zahlreiche Erstleistungen

Bei dem Flug des neuen Raumschiffes wurden gleich mehrere Erstleistungen registriert: Die erste mehrköpfige Besatzung im All, der erste Flug ohne den schützenden Raumanzug und die erste weiche Landung einer Kapsel mit den Kosmonauten an Bord, nachdem die sechs „Wostok“-Piloten noch katapultiert wurden und am Fallschirm zur Erde zurückkehrten. Zudem erprobte mit Feoktistow erstmals auch ein Konstrukteur ein Raumschiff, an dessen Entwicklung er maßgeblich mitgewirkt hatte.

Doch dem ehrgeizigen Arzt, der seine berufliche Laufbahn als Laborant begonnen hatte und 1964 als Laborleiter des heutigen Instituts für Medizinisch-Biologische Probleme (IMBP) ins Kosmonautenkorps kam, reichte das alles noch nicht. Er träumte davon, einen weiteren Kollegen mit Versuchstieren ins All zu schicken, um die sowjetische Raumfahrtbiologie und -medizin voranzutreiben, wie aus jüngst in Moskau veröffentlichten Geheimdokumenten hervorgeht.

Operation an Tieren im All geplant

Jegorow wollte in einem speziell ausgestatteten „Woßchod“-Raumschiff den Vestibularapparat, das Herz-Kreislaufsystem und andere Organe der Tiere gründlich untersuchen, ihnen intravenöse Zugänge legen, Medikamente verabreichen und einfache Operationen vornehmen. Dabei wollte er ihnen unter anderem die Bauchhöhle öffnen, um das Verhalten der Därme und des Blutes, das bei dem Eingriff austritt, in der Schwerelosigkeit  zu beobachten. Dann sollte die Wunde zugenäht werden.

Für die Durchführung des Experiments hatte Jegorow seinen Kollegen Jewgeni Iljin empfohlen, der als „Bordingenieur“ von „Woßchod-5“-Kommandant Georgi Beregowoi fungieren sollte. Doch zu dem Flug ist es nicht gekommen. Nach der erfolgreichen Mission von „Woßchod-2“, bei der Alexej Leonow 1965 als erster Mensch in den freien Raum ausstieg, wurde das Programm geschlossen. Fortan konzentrierte die Sowjetführung ihre Anstrengungen auf das neue „Sojus“-Raumschiff für das geheime Mondprogramm.

Traum Jegorows bis heute nicht erfüllt

Jegorow setzte indes seine Forschungen, die ihm im Weltraum verwehrt wurden, auf der Erde fort. 1979 schrieb er seine Doktorarbeit zu den theoretischen Grundlagen des Steuerungssystems des Menschen in der Schwerelosigkeit. 1982 wurde er Professor und machte sich einen Namen als Spezialist für Biotechnologie und molekulare Physiologie. Als Leiter des Sowjetisch-Deutschen Wissenschaftslaboratoriums für Kosmische Biotechnologie arbeitete er viele Jahre auch mit namhaften Firmen und Institutionen in der Bundesrepublik zusammen. Die Ostberliner Humboldt-Universität verlieh ihm bereits 1965 die Ehrendoktorwürde. Der Traum Jegorows von einer chirurgischen Operation im All ist indes bis heute nicht erfüllt.

(für dapd)