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Credit: NASA

Berlin, 20. September 2012 — Die jüngste Raumfahrtpanne der Russen hat den Amerikanern eine unerwartete Chance eröffnet. Da der Start des nächsten bemannten „Sojus“-Raumschiffs wegen eines technischen Problems vom 15. Oktober auf die dritte Monats-Dekade verschoben werden musste, tut sich eine Lücke im Kalender auf, die das kalifornische Unternehmen SpaceX für den ersten von zwölf kommerziellen Versorgungsflügen seiner „Dragon“-Kapsel zur Internationalen Raumstation ISS nutzen will. Eine private „Falcon 9“-Trägerrakete  soll den Frachter nach russischen Angaben „um den 10. Oktober“ auf den Weg dorthin bringen.

Eine gute und eine schlechte Nachricht

Anfang der Woche hatte der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Wladimir Popowkin, eine gute und eine denkbar schlechte Nachricht zu verkünden. Nach der Landung von „Sojus TMA-04M“ mit den Russen Gennadi Padalka und Sergej Rewin sowie ihrem amerikanischen Kollegen Joseph Acaba am Montagmorgen in Kasachstan lobte er zuerst das tadellose Funktionieren aller Systeme. Die Abkopplung von der ISS, der Abstieg und die Landung seien „vorschriftsmäßig“ verlaufen, sagte er. Doch dann musste er einräumen, dass das Nachfolgeraumschiff „Sojus TMA-06M“ nicht wie geplant am 15. Oktober zur ISS fliegen kann. Der Grund sei ein „Gerät“, das ausgetauscht und dann noch gründlich getestet werden müsse. Erst danach könne endgültig über das Startdatum entschieden werden. Um welches Gerät es sich handelt, verriet Popowkin nicht.

„Proton-M“ darf wieder starten

Die neue Panne kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn gerade konnte das nach der jüngsten Havarie verhängte Startverbot für die „Proton-M“-Trägerrakete  wieder aufgehoben werden. Am 14. Oktober soll der Flugbetrieb erneut beginnen. Wie sich bei den Untersuchungen herausgestellt hatte, führten Produktionsfehler im Treibstoffsystem der „Bris-M“-Oberstufe dazu, dass zwei Telekommunikationssatelliten am 7. August nicht ihre geplante Umlaufbahn erreichten. Damit waren in den vergangenen eineinhalb Jahren bei einer beispiellosen Fehlstartserie zehn Satelliten verloren gegangen. Das rief  Ministerpräsident Dmitri Medwedjew auf den Plan, der um Russlands Raumfahrtreputation fürchtet. Er verlangt von Popowkin ultimativ die Einführung eines Systems der Qualitätskontrolle, wie es sich zu Sowjetzeiten bewährt habe.

Interesse für europäisches Qualitätsmanagement

Bei der Suche nach einem Ausweg aus dem Dilemma verlässt sich Roskosmos aber nicht nur auf die eigene Vergangenheit, sondern orientiert sich auch nach Westen und studiert das europäische Qualitätsmanagement. Einen ersten Vorstoß  in dieser Richtung unternahm Roskosmos-Vize Sergej Saweljew auf der Luft- und Raumfahrtschau ILA 2012 in der vergangenen Woche ein Berlin. Gemeinsam mit dem Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR),  Johann-Dietrich Wörner, vereinbarte er die Bildung einer Arbeitsgruppe, in der man sich über die Struktur und Organisation von Raumfahrtaktivitäten austauschen will. Die Ergebnisse fließen direkt in die Reform der russischen  Raumfahrt ein, die 2015 abgeschlossen sein soll.
(für dapd)