Berlin/Moskau, 8. August 2012 — Vor 50 Jahren hat die damalige Sowjetunion mit einer kosmischen Spitzenleistung Furore gemacht, die als erster Gruppenflug zweier Raumschiffe in die Geschichte einging. Am 11. August 1962 startete der Kosmonaut Andrijan Nikolajew mit „Wostok 3“ vom Kosmodrom Baikonur ins All, und einen Tag später folgte ihm sein Freund Pawel Popowitsch mit „Wostok 4“. Am 15. August kehrten die „Himmelsbrüder“ im Doppelpack und im Abstand von nur knapp 200 Kilometern wieder wohlbehalten zur Erde zurück.
Große Sorge in den USA
Der Kreml verkaufte das Ereignis als neue große sozialistische Errungenschaft und Beweis für seine Überlegenheit bei der Eroberung des Alls. Dabei setzte er ganz bewusst darauf, den Westen in die Irre zu führen. Vor allem die USA nahmen die Nachricht mit großer Sorge auf. Denn der Gruppenflug suggerierte, dass die Sowjets nunmehr über steuerbare Raumschiffe verfügten, die notfalls auch an denen des „Klassenfeindes“ andocken und diese kapern könnten.
Doch diese Befürchtung war absolut unbegründet. Die „Wostok“-Schiffe ließen sich mitnichten aktiv steuern. Nikolajew und Popowitsch waren wie ihre Vorgänger Juri Gagarin und German Titow auch nur Passagiere an Bord. Das erste manövrierfähige sowjetische Raumschiff hieß „Sojus“ und hatte erst im April 1967 Premiere.
Im Abstand der Jahre erwies sich der Gruppenflug vor allem als ein großer politischer Bluff. Auslöser war Nikita Chruschtschow. Der umtriebige Partei- und Regierungschef verlangte immer neue spektakuläre Leistungen im Weltraum, die sich so richtig propagandistisch ausschlachten ließen. Und so musste sich Chefkonstrukteur Sergej Koroljow etwas einfallen lassen. Da ihm wenig Zeit blieb, prinzipiell Neues zu schaffen, griff er zu einer taktischen List, wie die Russen sagen, und startete eben im Tagesabstand zwei Raumschiffe.
Geniestreich Koroljows
Ungeachtet aller politischen Tricksereien ist und bleibt die Tatsache, dass damals erstmals zwei Menschen in unterschiedlichen Raumschiffen zur selben Zeit im All unterwegs waren, einer der zahllosen Geniestreiche Koroljows. Zudem tun sich hier Parallenen zum Flug von „Sputnik 2“ mit der Hündin Laika auf, der 1957 unter ähnlichen Umständen im Schnellverfahren organisiert wurde. Der Gruppen- oder Doppelflug, der im Juni 1963 von Waleri Bykowski und Walentina Tereschkowa wiederholt wurde, war auf alle Fälle ein herausragender Beitrag zur Entwicklung der Starttechnik und Bahnmechanik für künftige Annäherungs- und Kopplungsmanöver. Immerhin wurden „Wostok 3“ und „Wostok 4“ so präzise auf ihre Umlaufbahn geschossen, dass sie die Erde zeitweise im Abstand von nur fünf bis sechs Kilometern umkreisten, bevor sie wieder auseinanderdrifteten.
(für dapd)