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Credit: NASA

Berlin/Cape Canaveral, 28. Oktober 2009 — Die leidigen Probleme, die zuletzt jeden Starttermin der hochkomplizierten Space Shuttles zu einer Lotterie gemacht haben, scheinen sich auch bei den viel einfacheren Wegwerf-Nachfolgern fortzusetzen. Erst im zweiten Anlauf konnte die „Ares I“-Trägerrakete mit einer „Orion“-Raumschiff-Attrappe an der Spitze am Mittwoch von der Startrampe 39B des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral (Florida) zu ihrem ersten Testflug abheben. Eigentlich sollte er um 13 Uhr deutscher Zeit beginnen, doch dann machte einmal mehr das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Schließlich klappte es um 16.30 Uhr doch noch, und Startdirektor Ed Mango konnte Grünes Licht geben. Vorausgegangen waren wetterbedingte Verschiebungen im 20-Minuten-Takt. Technisch war hingegen alles bestens.

Ein erster Startversuch musste bereits am Dienstag verschoben werden. Erst war es die vergessene Abdeckung eines Sensors, die für eine Unterbrechung des Countdown sorgte, dann fuhr ein Frachtschiff seelenruhig durch die Sperrzone im Atlantik am Cape Canaveral, und schließlich nahte eine Regenfront mit starkem Wind.

Mit riesigem Donner machte sich die rund 100 Meter hohe, gertenschlanke und schneeweiße Rakete von der Startrampe 39B des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral auf ihren Weg in den blauen Himmel. Schon nach zwei Minuten endete der Flug in knapp 50 Kilometern Höhe, dann war der Festtreibstoff der ersten Stufe abgebrannt, die am Fallschirm in den Atlantik fiel. Die leere zweite Raketenstufe und der „Orion“-Dummy hatten nur der Vervollständigung der künftigen Konfiguration der Rakete gedient. Rund 700 Sensoren in der ersten Raketenstufe, die aus dem Shuttle-Programm  übernommen wurde, haben bei dem suborbitalen Kurzflug ungezählte Daten gesammelt, die nun sorgfältig ausgewertet werden müssen.

Die neue „Ares“-Trägerfamilie für das „Constellation“-Programm, das noch unter Präsident George W. Bush ins Leben gerufen wurde, soll die Space Shuttles ablösen, die seit 1981 Dienst tun und  2010 eingemottet werden. Die Version „Ares I“ kann 25 Tonnen Nutzlast in den erdnahen Orbit und zur Internationalen Raumstation ISS transportieren. Die Indienststellung ist für 2015 geplant. Die stärkere „Ares V“-Version, die sich noch in der Entwicklung  befindet, kann mit 125 Tonnen Nutzlast zum Mond und schließlich zum Mars fliegen. Zu dem System gehören das viersitzige Raumschiff „Orion“ sowie die Mondlandefähre „Altair“.

Im Gegensatz zum Shuttle, der wie eine Rakete startet und wie ein Flugzeug landet, kommt die „Orion“-Kapsel wieder wie in der Anfangszeit der NASA und heute noch bei den Russen und Chinesen an Fallschirmen zur Erde zurück. Die Raumfähren haben bislang 128 Missionen absolviert, zwei davon endeten in der Kastrophe – 1986 explodierte die „Challenger“  kurz nach dem Start, und 2003 zerbrach die „Columbia“ beim Landeanflug. Dabei kamen insgesamt 14 Astronauten ums Leben, darunter auch der erste Israeli im All.

Inzwischen sind die verbliebenen drei Shuttles trotz milliardenschwerer Nachrüstung technisch und moralisch verschlissen. Ein Start kostet heute rund eine halbe Milliarde
Dollar. Für dieses Geld können die Russen ein halbes Dutzend ihrer „Sojus“-Raumschiffe ins All schicken. Bis zum Ende der Shuttle-Flüge im September kommenden Jahres sind noch sechs Starts geplant. Der nächste findet Mitte November statt.

Bis zur ersten  bemannten „Ares I“-Mission frühestens 2015, wahrscheinlich aber eher 2017 sind die Amerikaner dann auf die Taxidienste der Russen zur ISS angewiesen. Die NASA hat sich bis 2013 einen der jeweils drei Plätze in den „Sojus“-Kapseln gesichert. Die letzte vier kosteten 306 Millionen Dollar. Die Russen dringen nun darauf, auch bald die Mitflüge bis 2015 zu reservieren. Doch die Amerikaner lassen sich damit Zeit. Denn noch ist nicht entschieden, wie es mit ihrem Raumfahrtprogramm überhaupt weitergeht. Der
Regierung liegt zwar seit längerem der Bericht einer Expertenkommission mit Empfehlungen für das  „Constellation“-Programm vor. Präsident Barack Obama hat sich dazu jedoch noch nicht geäußert.

Die Experten befürworten das „Ares“-Programm, machen jedoch darauf aufmerksam, dass mit dem derzeitigen Finanzrahmen keine Rückkehr zum Mond wie geplant bis 2020 möglich ist. Dazu fehlten mindestens drei Milliarden Dollar pro Jahr. Deshalb sollte man sich möglicherweise andere Ziele aussuchen, etwa Asteroide in Erdnähe oder einen der Mars-Monde. Zudem raten sie, die Shuttles weiter zu betreiben, um die Lücke bis zur Einsatzbereitschaft von „Orion“ nicht zu groß werden zu lassen. Noch offen ist auch, ob die Amerikaner einer Verlängerung des ISS-Programms bis mindestens 2020 zustimmen, wie es die anderen Partner dringend fordern. Schließlich geht es dabei darum, ob die Station weiter genutzt wird oder als Milliardengrab endet. Eine Entscheidung soll nun im Frühjahr 2010 fallen. Die US-Experten sind für die Verlängerung, weil sie befürchten, dass ihr Land sonst international ins Abseits geraten könnte.