Fr. Sep 27th, 2024

Credit: NASA

Houston, 25. Mai 2012 — Historische Kopplung knapp 400 Kilometer über der Erde. Mit „Dragon“ („Drache“) hat am Freitag zum ersten Mal ein privates Raumschiff an der Internationalen Raumstation ISS festgemacht. Um 15.56 Uhr deutscher Zeit – knapp zwei Stunden später als geplant – fing US-Astronaut Don Pettit den Frachter des kalifornischen Hightech-Unternehmens SpaceX mit einem Roboterarm ein. „Es scheint, dass wir den Drachen am Schwanz erwischt haben“, kommentierte er den Vorgang, der sich über Nordwestaustralien abspielte. Dann setzte Pettit, unterstützt von seinem niederländischen ESA-Kollegen André Kuipers, den Neuankömmling an das Modul „Harmony“ um und dockte ihn dort um 18.02 Uhr  an.

Mit einem stundenlangen perfekten Rendezvous-Manöver war „Dragon“ zuvor bis auf zehn Meter an die Station herangeführt worden. Damit  hat das neue Transportsystem seine wichtigste Bewährungsprobe bestanden. Am kommenden Donnerstag soll „Dragon“ wieder von der ISS ablegen und 450 Kilometer vor der amerikanischen Westküste im Pazifik wassern.

Partner und Konkurrent für Progress, ATV und HTV

Der wiederverwendbare kommerzielle Weltraumtransporter des Milliardärs Elon Musk ist ein ernst zu nehmender Partner und zugleich Konkurrent für die russischen Progress-, die europäischen ATV- und die japanischen HTV-Frachter, die bisher allein die Station mit Nachschub versorgen. Im Unterschied zu ihnen ist er kein Einweg-System, sondern kann bis zu 2,6 Tonnen Nutzlast – wissenschaftliche Ergebnisse und ausgediente, aber noch brauchbare Geräte und Ausrüstungen –  mit zur Erde zurückbringen. Damit füllt „Dragon“ eine schmerzliche Lücke, die mit der Einstellung der Shuttle-Flüge im Sommer vergangenen Jahres entstanden ist. Seither können nur die bemannten russischen Sojus-Schiffe auf dem Heimweg Nutzlasten mitnehmen – allerdings höchstens 90 Kilogramm und wegen der Enge der Kapseln  auch nur kleinkalibrige Dinge. Allerdings verfügt „Dragon“ über kein automatisches Kopplungsaggregat wie Progress und ATV. Das Raumschiff muss deshalb wie HTV per Hand angedockt werden.

Ein Dutzend „Dragon“-Missionen

Mit einer Nutzlastkapazität von 3,3 Tonnen liegt „Dragon“ an dritter Stelle hinter dem ATV mit rund 7,5 Tonnen und  HTV  mit knapp 6 Tonnen, aber  noch vor Progress mit nur 2,6 Tonnen. Die Hauptlast der Nachschubversorgung tragen im Moment noch die Russen mit fünf Progress-Starts pro Jahr. Die Europäer und die Japaner fliegen dagegen nur je einmal im Jahr zur ISS. Wenn bei der jetzigen Mission weiter alles so glatt läuft wie bisher, tritt für SpaceX ein Vertrag mit der Luft- und Raumfahrtbehörde NASA, die das Projekt materiell und technisch  unterstützt, über zwölf ISS-Missionen mit insgesamt 20 Tonnen Versorgungsgüter in Kraft. Das Unternehmen erhält dafür 1,6 Milliarden Dollar. Zwei Starts sollen möglicherweise noch in diesem Jahr stattfinden.

Damit wird auch der Ausfall der ATV kompensiert, die 2015 nach dann insgesamt fünf Flügen den Dienst einstellen. Was nach den Frachtern kommt, die neben dem „Columbus“-Forschungsmodul der Hauptbeitrag Europas zur ISS sind, steht noch nicht fest. Begeistert von den SpaceX-Leistungen, hat deshalb DLR-Chef Johann-Dietrich Wörner in einem dpad-Interview der Europäischen Weltraumorganisation ESA empfohlen, das kalifornische Unternehmen als einen „willkommenen Partner“ zu sehen und sich ihm gegenüber bei der bevorstehenden ESA-Ministerratstagung im November „komplementär“ aufzustellen.

(für dapd)