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Credit: G.Kowalski
Credit: G. Kowalski

Berlin, 9. Februar 2012 — Als erster Deutscher im All war Sigmund Jähn eigentlich ein kosmischer Überflieger. Doch der gebürtige Vogtländer, der aus  ärmlichen Verhältnissen stammt und es in der DDR vom Buchdrucker über den FDJ-Funktionär bis zum Jagdflieger und schließlich zum Kosmonauten brachte, ist stets mit beiden Beinen fest auf dem Boden geblieben.

Die Begeisterung, mit der der Offizier der Nationalen Volksarmee (NVA) und sein russischer Kommandant Waleri Bykowski nach ihrem gemeinsamen Raumflug 1978 bei ihrer Rundreise durch die DDR empfangen wurden, war echt. Überall wurden die
„Himmelsbrüder“ stürmisch gefeiert. Niemand musste, wie sonst üblich, zum Jubeln abkommandiert werden. Getoppt wurde diese Begeisterung danach nur noch beim Besuch von Michail Gorbatschow zum 40. und letzten Jahrestag der DDR, wo er Erich Honecker zu Reformen ermahnte, da er sonst vom Leben bestraft würde.

DDR-Ende als real existierendes Problem

Die DDR-Partei- und Staatsführung hat Jähn mit Orden und Auszeichnungen überhäuft. Sie sonnte sich gern im Ruhm des Kosmonauten, den die Menschen noch heute vor allem wegen seiner großen Bescheidenheit verehren. Jähn selbst war die Lobhudelei peinlich und zuwider. Er wehrte sich auf seine Art dagegen. So habe er sich, wo es ging, vor widersinnigen Pflichtauftritten gedrückt und oft auch die für ihn vorbereiteten Reden einfach ignoriert und lieber frei gesprochen, gab er nach der Wende zu Protokoll. Im Grunde aber habe er sich „freiwillig vereinnahmen lassen“, da er das System als solches bejaht habe.

„Für mich wurde das Ende der DDR zunächst zum real existierenden Problem“, fasste Jähn nach dem Fall der Mauer seine Situation zusammen. „Ich verlor am 2. Oktober 1990 meine Existenzgrundlage“, fügte er mit Blick auf seine Entlassung als NVA-General hinzu, die aus „strukturellen Gründen“ erfolgte.

„Republikflüchtling“ hilft bei Start ins neue Leben

Ironie der deutsch-deutschen Geschichte: Ausgerechnet der „Republikflüchtling“ Ulf Merbold half Jähn, im nun vereinten Deutschland wieder Fuß zu fassen. Merbold, der in Greiz  und damit nur 32 Kilometer von Jähns Geburtsort  Morgenröthe-Rautenkranz zur Welt kam, hatte in der DDR keine Zukunft für sich gesehen und war deshalb kurz vor dem Mauerbau 1961 in den Westen geflohen. Hier arbeitete sich der promovierte Physiker 1983 ohne Staatsauftrag aus eigener Initiative zum ersten bundesdeutschen Astronauten und somit zweiten Deutschen im Weltraum hoch. Auch Merbolds Glaube an ein demokratisches Deutschland, in das er ebenfalls seine alte Heimat eingeschlossen haben wollte, habe sich zu seinen Lebzeiten erfüllt, sagte Jähn zu seinem vogtländischen Landsmann.

Jähn nahm das von Merbold vermittelte Angebot des Vorgängers des heutigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Bauchschmerzen an, in Russland als Berater zu arbeiten. Er befürchtete, dass es ihm die Russen verübeln würden, damit „Fahnenflucht“ begangen zu haben. Doch diese Sorge war unbegründet. Seine alten russischen Freunde, denen inzwischen auch die Sowjetunion abhanden gekommen war, empfingen ihn im „Sternenstädtchen“ („Star City“) bei Moskau mit offenen Armen und richteten ihm sogar ein eigenes Büro ein. Von hier aus unterstützte der deutsche Kosmosveteran in den 1990er Jahren allein vier deutsche Astronauten bei den Vorbereitungen auf ihre Arbeit in der russischen Raumstation MIR, darunter auch Merbold. Der ist seitdem nach seinen beiden vorangegangenen Missionen mit US-Shuttles der einzige Dreifach-Flieger unter den zehn deutschen Raumfahrern.

Nach seiner Pensionierung ist Jähn nun schon viele Jahre landesweit als gefragter Vortragsreisender und Gesprächspartner unterwegs und vertritt mit seiner Autorität auch international die deutsche Raumfahrt ganz hervorragend.

(für dapd)