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Credit: Roskosmos

Moskau, 9. November 2011 — Russlands Raumfahrt kommt aus ihrer Pannenserie nicht heraus. Kaum sind die Folgen des Absturzes einer Sojus-Rakete auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS vom 24. August halbwegs überwunden, da ereilt das Land ein neuer Fehlschlag. Die Raumsonde Phobos-Grunt, die in der Nacht zum Mittwoch vom Kosmodrom Baikionur (Kasachstan) gestartet war, erreichte zwar problemlos die Erdumlaufbahn, konnte dann aber nicht auf den Transferorbit zum Mars einschwenken.

Der Grund dafür ist nach Auskunft des Chefs der Raumfahrtagentur Roskosmos, Wladimir Popowkin, dass das Marschtriebwerk nicht gezündet hat. Weder die erste noch die zweite Zündung seien erfolgt. Offenbar liege ein Programmierfehler vor.  Die Sonde habe sich nicht von der Sonne auf die Sterne umorientieren können. Die Experten hätten nun drei Tage Zeit, um die  Sonde umzuprogrammieren. Phobos-Grunt ist also noch nicht verloren wie 1996 die letzte Planetensonde „Mars-96″, die ins Meer gefallen war.

Russland will sich mit der Mission in der internationalen Planetenforschung zurückmelden. Die rund 13,5 Tonnen schwere und 120 Millionen Euro teure Sonde soll im September 2012 den Mars erreichen und ihn und seinen Mond mit rund 20 Geräten ins Visier nehmen. Anfang 2013 ist dann die Landung auf Phobos geplant. Dabei werden Bodenproben – allerdings nur rund 200 Gramm – genommen, die in einer kleinen Rückkehrkapsel im August 2014 auf die Erde gebracht werden sollen. Ob das nun so wie geplant stattfinden kann, hängt davon ab, ob die Experten den Schaden beheben können.

Die  Sonde soll zugleich der Auftakt für ein nationales Programm zur Erforschung der Planeten und kleiner Himmelskörper unseres Sonnensystems bis zum Jahr 2020 sein. Dabei geht es auch um Missionen zur Venus, zu Asteroiden, zu den Jupiter-Monden und nicht zuletzt wohl auch in der weiteren Perspektive um einen bemannten Flug zum Mars.

Deutschland und die Amerikaner sind mit einem Mikroorganismusexperiment  an dem Phobos-Projekt beteiligt, China mit einem Kleinsatelliten, der vor der Landung ausgesetzt wird.

Die Phobos-Mission stand allerdings von Anfang an unter keinem besonders günstigen Stern. Ursprünglich sollte sie schon 2004 beginnen. Das Vorhaben wurde dann aber noch einmal stark überarbeitet und auf 2009 vertagt. Doch auch dieser Termin konnte nicht gehalten werden. Heute präsentiert sich die Sonde zu  90 Prozent neu. Über 20 russische Patente wurden auf sie angemeldet. Allerdings barg das Projekt auch erhebliche Unwägbarkeiten, wie Popowkin Anfang Oktober bei einem Hearing in der Staatsduma einräumen musste. Denn aus Zeitmangel konnten nicht alle Neuerungen ausreichend getestet werden. „Wir verstehen, dass das ein Risiko ist, aber das Risiko ist gerechtfertigt“, hatte er damals gesagte Popowkin. So müsse man eben die Tests während des Fluges fortsetzen. Nun scheint es, dass das Risiko doch nicht so kalkulierbar war.

Unklar ist bislang auch, ob internationale Wissenschaftler in die Untersuchung des Phobos-Gesteins einbezogen werden, sollte es denn überhaupt dazu kommen. Diese Frage werde derzeit noch „im Detail“ erörtert, sagte der Leiter des federführenden Moskauer Instituts für Kosmosforschung (IKI), Lew Seljony. Er jedenfalls sei für die Einrichtung eines entsprechenden internationalen Labors. Hinter diesem Vorschlag verbirgt sich ein weiteres Problem der Russen. Denn ihren Instituten fehlen bislang die Analysegeräte für die Bodenproben. Gelingt es nicht, diese noch rechtzeitig zu bauen, bleibt Russland nur die undankbare Rolle des Transporteurs. Den Ruhm der wissenschaftlichen Auswertung des kostbaren außerirdischen Materials könnten sich dann andere an die Fahne heften, befürchtet Seljony.

Nach der Panne vom Mittwoch hat man aber jetzt erst ganz andere Sorgen. Es geht schlicht und einfach darum, ob die Mission überhaupt zustande kommt.

(für dapd)