Berlin, 27. September 2009 — Eberhard Köllner hat im Stillen gehofft, auch in den Weltraum fliegen zu können. „Ich habe im Hinterkopf damit gerechnet, doch einmal ranzukommen“, sagte das Double von Sigmund Jähn, der 1978 als erster Deutscher ins All gestartet ist. Allerdings habe er „nicht überblickt, dass das DDR-System ökonomisch so ausgereizt war“, fügte er mit Blick auf die Tatsache hinzu, dass die damalige Sowjetunion viel Geld für einen zweiten Flug haben wollte.
Nachdem die UdSSR im Rahmen des Interkosmos-Programms neun sozialistischen Partnern zwischen 1978 und 1981 Mitflüge zur Raumstation „Salut 7“ ermöglicht hatte, sei eine „zweite Runde“ durchaus denkbar gewesen, betonte Köllner, der am 29. September in Neuenhagen bei Berlin seinen 70. Geburtstag begeht. Allerdings hätte man in diesem Fall die dafür anfallenden Kosten „partnerschaftlich“ aufbringen müssen.
Doch daraus wurde durch den Fall der Mauer nichts. Erst nach der Wende erfuhr die Öffentlichkeit, dass tatsächlich eine zweite Mission mit einem DDR-Kosmonauten im Gespräch war. Die Sowjets hatten als „Startfenster“ das Jahr 1992 reserviert. Der Flug sollte 15,6 Millionen Rubel oder rund 50 Millionen DDR-Mark kosten, was damals mehr als einem Raumfahrtjahresetat entsprach. Das wäre dann sicher auch die große Chance für Köllner gewesen, der ja die gesamte Kosmonautenausbildung im „Sternenstädtchen“ bei Moskau erfolgreich absolviert hatte.
Dann aber brach die DDR zusammen, Köllner schied im Range eines Obersten aus der Nationalen Volksarmee (NVA) aus, absolvierte ein Betriebswirtschaftsstudium und arbeitete bis zur Rente als Dispatcher in der freien Wirtschaft. „Die Uniform der Bundeswehr anzuziehen, hätte ja bedeutet, zum Gegner überzulaufen“, begründete er seine Entscheidung. Das hätte seiner „politischen Grundauffassung“ widersprochen.
Ironie der Geschichte: Das für die DDR reservierte „Startfenster“ wurde dann doch noch genutzt. Es flog aber nicht Köllner, sondern der Bundeswehroffizier Klaus-Dietrich Flade im Rahmen der Mission MIR 92.
Eberhard Köllner hatte im Grunde genommen von Anfang an schlechte Karten, als im Sommer 1978 der erste DDR-Kosmonaut gesucht wurde. Da war schon sein Name vor. Dann hätte nämlich das SED-Zentralorgan „Neues Deut schland“ mit der Schlagzeile „Köl(l)ner ist erster Deutscher im All“ erscheinen müssen, lästerte damals der Volksmund. Was heute wie ein schlechter Witz klingt, hatte durchaus einen ernsten Hintergrund. Denn die DDR wollte mit dem Flug ihres ersten Kosmonauten nicht zuletzt auch ihre Überlegenheit über die „imperialistische BRD“ demonstrieren. Und dabei wäre die Namensähnlichkeit mit den Dom-Städtern am Rhein nicht gerade hilfreich gewesen.
Bevor die bis zuletzt geheim gehaltenen Namen von Köllner und Jähn, der dann letztlich den Vorzug erhielt, überhaupt offiziell bekannt gegeben wurden, pfiffen es die DDR-Spatzen schon von den Dächern, dass Ersterer nur Double sein würde. Ihm selbst sei das spätestens in dem Moment klar geworden, als die beiden sowjetischen Kommandanten für die einwöchige Mission mit der „Sojus“-Kapsel zur Raumstation „Salut 7“ nominiert wurden, sagte Köllner später. Jähn habe den DDR-erfahrenen Weltraumveteranen Waleri Bykowski zugewiesen bekommen. Der hatte 1963 zusammen mit Walentina Tereschkowa einen Gruppenflug durchgeführt und dann 1976 die Multispektralkamera MKF-6 aus dem damaligen VEB Carl Zeiss Jena erprobt, von deren Vermarktung sich die Führung hohe Deviseneinnahmen versprach, was allerdings der „groC3e Bruder“ in Moskau zu verhin dern wusste.
Trotz der verpassten Gelegenheit sei er nicht „enttäuscht“, beteuert Köllner. Im Gegenteil: „Ich bin mit meinem Leben rundum zufrieden.“ Er habe immer Arbeit gehabt und sein Geld verdient sowie ein „gute und glückliche Familie“. Die Zukunft der Raumfahrt sieht der Rentner verhalten optimistisch. „Die geht nicht unter, denn das ist ein Riesenwirtschafts- und -wissenschaftszweig“. Allerdings werde sich das Entwicklungstempo verringern, da die „finanziellen Ressourcen nicht mehr in dem erforderlichen Maß verfügbar“ seien.