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Credit: Roskosmos
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Moskau, 5. September 2011 — Nach den schmerzhaften Fehlschlägen der letzten Wochen sucht Russlands zivile Raumfahrt jetzt offenbar ihr Heil bei den Militärs. Früher sei  das Raumfahrtprogramm unter denselben Bedingungen wie die staatlichen Rüstungsaufträge gelaufen, sagte der Vize-Chef der Raumfahrtagentur Roskosmos, Witali Dawydow, nach dem Absturz der Sojus-Rakete mit den Progress-Frachter vom 24. August. Derzeit werde deshalb die Frage der Rückkehr des Programms in den Rahmen dieser Aufträge „durchgearbeitet“.

Orientierung am Verteidigungsministerium

Zuvor hatte schon Roskosmos-Generaldirektor Wladimir Popowkin bei der Vorstellung seiner Effektivitäts-Initiative angekündigt, sich bei der Optimierung der kränkelnden einstigen Vorzeigebranche an den „wirksam funktionierenden“ Strukturen des Verteidigungsministeriums orientieren zu wollen. Das kommt quasi einem Eigenlob gleich, denn der Ex-Kommandeur der Weltraumstreitkräfte (KW)  war vor seiner Ernennung zum Roskosmos-Chef Ende April 1. stellvertretender Verteidigungsminister im Range eines Armeegenerals.

Dawydow hieb in dieselbe Kerbe, als er sagte, „Gott sei Dank“ seien die Ursachen für die Fehlschläge nicht im Konstruktions- oder Fertigungsbereich, sondern in der Organisation zu suchen. Jetzt gehe es darum, „die Kontrolle über den Inhalt der Arbeit und und die Arbeitsordnung zu verstärken“. Die entsprechenden Entscheidungen seien bereits getroffen, fügte er hinzu. Welche Konsequenzen diese Rolle rückwärts für das Kosmodrom Baikonur, das Kosmonauten-Ausbildungszentrum im „Sternenstädtchen“ bei Moskau und die anderen Einrichtungen hat, die gerade erst unter Zivilverwaltung gestellt worden sind, bleibt vorerst unklar.

Raumfahrt-Patriarch Tschertok beklagt Facharbeitermangel

Der Patriarch der sowjetrussischen Raumfahrt, Boris Tschertok (99), kommt indes zu einem anderen Schluss. Für den letzten noch lebenden Stellvertreter des legendären Chefkonstrukteurs Sergej Koroljow (1907-66) ist die Raumfahrtmisere auf den „schlimmen Mangel an qualifizierten Fachkräften“ in der gesamten russischen Industrie zurückzuführen. Niemand wolle mehr an der Werkbank arbeiten, sagte er in einer Online-Pressekonferenz der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Alle Jugendlichen wollten nur „Manager und Geschäftemacher“ werden. Das ehemalige Land der „Diktatur des Proletariats hat das Proletariat verloren“. Zudem sei der Sojus-Absturz sowohl statistisch als auch vom Standpunkt der Zuverlässigkeit her „keine Katastrophe“. Im Vergleich zu den Sowjetzeiten seien solche Ausfälle heute „sehr selten“.

(für dapd)