Moskau, 15. August 2011 — Russland will seine stagnierende Raumfahrt auf Effektivität trimmen. Dazu sollen die Strukturen der Branche gestrafft, neue Prioritäten gesetzt, die Mittel entsprechend umgeschichtet und unproduktive Entwicklungen eingestellt werden, wie der Chef der Raumfahrtagentur Roskosmos, Wladimir Popowkin, in einem Interview der Zeitung „Kommersant“ angekündigt hat.
Bemannte Raumfahrt verschlingt Hälfte des Budgets
Bisher war bei der Finanzierung der zahlreichen Unternehmen quasi nach dem Gießkannenprinzip verfahren worden. Aber auch mit der Rekordsumme von umgerechnet 1,6 Milliarden Euro, die Roskosmos 2010 für die Föderalen Raumfahrtprogramme (FKP) zur Verfügung stand, konnte der ganze Zweig nicht mit Aufträgen versorgt werden, sagte Popowkin. Der Auslastungsgrad liege deshalb nur bei 33 bis 35 Prozent. Allein die bemannte Raumfahrt, sprich die Aufrechterhaltung der Internationalen Raumstation ISS, verschlinge die Hälfte der Mittel. Der Rest sei bislang gleichmäßig auf die anderen Vorhaben verteilt worden.
Das soll nun ein Ende haben. Denn „im Prinzip“ reichten die Mittel aus, um die Hauptaufgaben von Roskosmos zu erfüllen, betonte der General. Man müsse nur den Mut aufbringen, Dinge zu stoppen, die „offensichtlich perspektivlos“ seien. Beispiele nannte er aber nicht. Von 2013 bis 2020 müssten die Mittel allerdings jährlich inflationsbereinigt um vier bis sechs Prozent angehoben werden.
Vorfahrt für Kommunikations- und Forschungssatelliten
Priorität habe künftig der Bau von Kommunikations-, Navigations-, Wetter- und Erdfernerkundungssatelliten für die sozial-ökonomische Entwicklung, sagte Popowkin und verwies dabei auf die geografischen Besonderheiten des Riesenlandes. Der zweite Schwerpunkt seien die wissenschaftlichen Fragen. Dabei gehe es in erste Linie um die Erforschung der Galaxien, der Prozesse im Weltraum und der erdnahen Planeten unseres Sonnensystems sowie um die Suche nach Leben im All.
Der Generaldirektor der Wissenschaftlichen Produktionsvereinigung „Lawotschkin“, Viktor Chartow, kündigte in diesem Zusammenhang den Start von acht Forschungssonden zum Mond, zum Mars und zur Venus zwischen 2013 und 2020 an. Der Raumfahrtkonzern „Energija“ will mit einer verbesserten Version der bemannten Sojus-Raumschiffe und der Progress-Frachter zum Gelingen der neuen Ziele beitragen.
Unterfüttert würden die Effektivitätsbemühungen durch die weitere Optimierung der Branchenstruktur, sagte der Roskosmos-Chef. So solle bis zum Jahresende die Zahl der Holdings, in denen die wichtigsten Raumfahrtunternehmen vertikal konzentriert würden, auf 14 erhöht werden. Danach erfolge die Vernetzung auf horizontaler Ebene bei gleichzeitiger Reduzierung des Personals um 20 Prozent bis 2013.
(für dapd)