Di. Sep 24th, 2024

Credit: G. Kowalski
Credit: G. Kowalski

Berlin, 20. Juli 2011 —

Als einziger deutscher Astronaut war Ulf Merbold dreimal im Weltraum – 1983 und 1992 mit einem US-Shuttle und 1994 mit einer russischen Sojus-Kapsel. dapd-Korrespondent Gerhard Kowalski sprach mit dem 70-Jährigen über die Einstellung des Shuttle-Programms und die Zukunft der bemannten US-Raumfahrt.

dapd: Herr Merbold, macht sich bei Ihnen Wehmut breit, wenn Sie jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Shuttle-Ära vorbei ist?

Merbold: Klar kommt bei mir Wehmut auf, wenn ich an die Beendigung des Shuttle-Programms denke. Jeder, der mit einem Raumschiff eine Reise an der Grenze der Machbarkeit unbeschadet überstanden hat, hat zu dieser Maschine am Ende auch eine Art emotionales Verhältnis und ein Gefühl der Dankbarkeit. Ich finde, es ist schon eine interessante Polarität, dass es der Mensch kraft seiner Intelligenz und Schöpferkraft vollbracht hat, mit viel Technik eine Minikolonie zu erbauen, die tatsächlich den Menschen in dieser sonst feindlichen Umgebung am Leben erhält und es möglich macht, ihn auch unbeschadet zur Erde zurückzuholen.

dapd: Und wenn diese Shuttle nun ins Museum kommen sollen, …

Merbold: … wo sie nur noch Staub ansetzen, dann ist das eigentlich kein guter Tag. Zudem ist es ja auch tragisch, wenn ein solcher Abschnitt in der Menschheitsgeschichte so ein Ende nimmt.

dapd: Warum wird das Shuttle-Programm überhaupt eingestellt?

Merbold: Ich denke, die Gründe für die Amerikaner, mit dem Shuttle aufzuhören, sind auf der einen Seite die Kosten und auf der anderen Seite die Sicherheit. Vom Standpunkt eines Raumfahrers ist es natürlich absolut inakzeptabel, dass von 135 Flügen zwei in die Katastrophe führen. Und trotzdem glaube ich, dass der Shuttle jetzt sicherer ist, als er jemals war. Aber ich will auch gar nicht so sehr darüber jammern, dass die Amerikaner diese Entscheidung getroffen haben. Mir läge vor allem daran, dass wir Europäer endlich die Ärmel hochkrempeln und etwas Eigenes machen.

dapd: Ist nicht spätestens jetzt der richtige Moment für Europa, in die bemannte Raumfahrt einsteigen?
Merbold: Europa müsste sich schon längst Gedanken über ein eigenes bemanntes Transportsystem gemacht haben. Eine Rückkehrkapsel für seinen automatischen Frachter ATV könnte da ein Zwischenschritt in diese Richtung sein, um ihn dann am Ende auch mit einem Lebenserhaltungssystem auszurüsten, sodass auch Menschen mit einem ATV Plus in eine Umlaufbahn gelangen und unbeschadet zurückkehren können. Da wir mit der Ariane 5 eine Trägerrakete haben, die 20 Tonnen in eine Umlaufbahn befördern kann, ist der Schritt dahin nicht mehr groß. Es gibt jetzt also eine Riesenlücke und für uns Europäer die Chance, in vier oder fünf Jahren mithilfe des ATV Plus selbst in den Weltraum zu fliegen. Das ist es, was ich am liebsten erleben möchte.

dapd: Woran fehlt es?

Merbold: Es fehlt uns in Europa im Grunde nur am politischen Willen und an einer visionären politischen Figur, die uns einfach dieses Ziel an den Horizont stellt und sagt: Da gehen wir jetzt hin. Europa mit seinen 480 Millionen Einwohnern kann doch nicht darauf warten, dass andere kommen und sagen: Wollt ihr in den Weltraum? Wir nehmen euch mit!

dapd: Die ISS-Partner sind jetzt voll auf die Russen angewiesen. Halten die bis 2020 durch?
Merbold: Ja, das glaube ich. Warum sollte das nicht gehen? Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion hat es in Russland einen nationalen Konsens gegeben, die bemannte Raumfahrt kontinuierlich weiterzuführen. Insofern bin ich sehr optimistisch, dass die Russen nicht aufhören werden, zumal sie jetzt ja auch die Chance bekommen haben, so richtig gute Geschäfte zu machen.

dapd: Können, wie in den USA geplant, private Raumschiffe die Lücke schließen, die die Shuttles hinterlassen?

Merbold: Ich glaube nicht so richtig daran, dass Privatleute richtig Geld in die Hand nehmen und mit Nachdruck etwas entwickeln und bauen, mit dem man dann in den nächsten vier bis fünf Jahren privatwirtschaftlich zur ISS gelangen kann. Ich denke eher, dass diese Gehversuche, wie sie der Milliardär Richard Branson unternimmt, weitergehen und man für 100.000 oder 200.000 Dollar verlängerte Parabelflüge am Rande des Weltraums machen kann. Bis zur Erdumlaufbahn ist es von da ja technisch noch ein Riesenschritt. Da müssen noch viele Probleme gelöst werden.