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Berlin/Moskau, 26. August 2009

Boris Tschertok und Gerhard Kowalski
Boris Tschertok und Gerhard Kowalski

Der Nestor der russischen Raumfahrt, Boris Tschertok, sieht derzeit keine Notwendigkeit für einen bemannten Flug zum Mars. Der Rote Planet sollte vielmehr mit Automaten und Marsmobilen erforscht werden, sagte Tschertok nach einem Online-Bericht der Raumfahrtagentur Roskomos auf dem 6. Internationalen Weltraumkongress, der derzeit in Moskau tagt. Angesichts der „Kosten und gewaltigen Risiken“ sollte man sich mit bemannten Expeditionen zum Mars „in den nächsten 50 und selbst auch 100 Jahren nicht beeilen“.
Der 97-Jährige war einer der engsten Mitarbeiter des legendären Chefkonstrukteurs und „Vaters“ des „Sputnik“, Sergej Koroljow. Das Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAN) ist heute noch als Berater des führenden Raumfahrtkonzerns „Energija“ tätig und hat sich in letzter Zeit mehrfach kritisch zum derzeitigen Stand der Raumfahrt seines Landes geäußert.In der nahen Zukunft würden noch viele Roover zum Mars geschickt, betonte Tschertok.  „Sie erforschen den Mars viel besser als der Mensch, der allein ein Jahr mit dem Hinflug verbringt, dann den Mars betritt und sich hier gleich auf den Rückweg vorbereiten muss, wenn er überhaupt in der Lage ist, zur Erde zurückzukehren.“

Sollten sich die 250 bis 300 Milliarden Dollar finden, die ein bemannter Marsflug nach derzeitigen Schätzungen kosten würde, so könnte man das Geld „mit erheblich größeren Nutzen“ auf dem Mond nutzen, sagte Tschertok. Der Mensch müsse unbedingt dorthin zurückkehren, allerdings nicht  aus „Prestigegründen wie vor 40 Jahren“, sondern „für lange Zeit – um ihn zu bewohnen, praktisch zu kolonisieren und möglicherweise für den Weltraumtourismus“. Ob Russland an diesem „perspektivischen und für die weitere Entwicklung der Zivilisation unabdingbaren Programm“ teilnehmen werde, hänge von den Russen ab, die heute noch keine 30 Jahre alt seien.

Als eine der Hauptaufgaben für die nächste Zeit bezeichnete der Wissenschaftler die Verlängerung  der Nutzung der Internationalen Raumstation ISS „mindestens bis zum Jahr 2020“. Ob die Raumfahrtpläne verwirklicht werden, hänge von der ökonomischen Situation eines jeden Landes ab, betonte Tschertok. „Derzeit kann man sagen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ungeachtet der Krisen in der weltweiten Raumfahrt sowie bei den perspektivischen und allgemeinwissenschaftlichen Grundlagenforschungen führend sind.“ Das Verhältnis der US-Regierung zur Arbeit und kritischen Erörterung der neuen Weltraumprogramme „verdient Nachahmung“, fügte er hinzu. Die jüngsten Nachrichten über den Zustand der russischen Wirtschaft gäben ihm aber „leider keinen Grund zu größerem Optimismus bezüglich der russischen Raumfahrt“.