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Gemälde: Tatjana Sorokina
Gemälde: Tatjana Sorokina

Berlin/Moskau, 29. Dezember 2010 — Russland hat sich zum 50. Jahrestag des Raumfluges von Juri Gagarin etwas ganz Besonderes ausgedacht: Zu Ehren seines großes Sohnes, der am 12. April 1961 das bemannte kosmische Zeitalter eingeleitet hat, erklärte Präsident Dmitri Medwedjew 2011 zum „Jahr der russischen Raumfahrt“.

Mit einer Vielzahl von Veranstaltungen im In- und Ausland soll an dieses historische Ereignis erinnert werden. Die Leitung des Organisationskomitees hat Ministerpräsident Wladimir Putin persönlich übernommen.   Im Gegensatz zu 1961, wo in Zeiten des Kalten Krieges der 108-Minuten-Flug Gagarins vor allem als Beweis für die Überlegenheit des Sowjetsystems über den „sterbenden“ Kapitalismus gefeiert wurde, steht jetzt der historische Aspekt im Vordergrund. Der Start von „Wostok“ sei nicht nur eines der „bedeutendsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts, sondern auch der gesamten Geschichte der Zivilisation“, sagte Putin auf der Gründungssitzung. Zugleich sei das ein „wahrhaft nationaler Triumph, der damals das ganze Volk zusammengeschweißt und geeint“ habe.  

Die Palette der Vorhaben im Jubiläumsjahr reicht von einem Empfang im Kreml und einem zentralen Festkonzert über die Verleihung von staatlichen Auszeichnungen, die Herausgabe von Publikationen und einer Sondermünze, die Organisation von Ausstellungen und Wettbewerben bis hin zu Gagarin-Lesungen und wissenschaftlichen Konferenzen. Dabei soll insbesondere das Interesse der Jugend für die Weltraumforschung geweckt werden. Zudem werden sich die Russen sicher auch noch einen richtigen „Knaller“ einfallen lassen. Führende Vertreter der Branche bestätigen das unumwunden, halten sich aber bei den Einzelheiten vornehm zurück. Selbst die Fachpresse tappt bislang im Dunkeln. Eines ist aber klar: Die Tatsache, dass das Raumschiff „Sojus TMA-21“ am 30. März kommenden Jahres mit dem Namen „Juri Gagarin“ zur Internationalen Raumstation ISS startet, ist gewiss noch nicht das Highlight.  

 Natürlich dreht sich die russische Raumfahrt 2011 nicht nur um Gagarin. Nach der geplanten Einstellung des Shuttle-Programms, die sich wegen der Probleme mit der „Discovery“ wohl noch bis in die Jahresmitte verzögern wird, muss Russland allein für den Personenverkehr von und zur ISS sorgen. Der Chef der Raumfahrtagentur Roskosmos, Anatoli Perminow, hat zum neuen Jahr ausdrücklich versichert, dass sein Land allen seinen Verpflichtungen aus dem ISS-Vertrag nachkommen werde. Das bedeutet den Start von vier bemannten „Sojus“-Kapseln und mindestens fünf „Progress“-Frachtern.  

Zudem will sich Russland endlich wieder mit einem wissenschaftlichen Raumfahrtprogramm zurückmelden. Die Sonde „Phobos-Grunt“ soll Ende 2011 zum Mars-Mond Phobos fliegen und dort Bodenproben nehmen. Das wäre die erste russische Mission zu einem anderen Planeten seit dem Fehlschlag der Raumsonde „Mars-96“ im Jahr 1996. Voraussichtlich schon im Mai wird das Weltraumteleskop „Spektr-R“ (Radioastron) gestartet. Es soll die Geburt von Sternen erforschen sowie bei der Erstellung eines hochpräzisen astronomischen Koordinatensystems und eines ebensolchen Modells des Gravitationsfeldes der Erde helfen.   Auch wird weiter mit Hochdruck an der Inbetriebnahme des Satellitennavigationssystems GLONASS gearbeitet. Eigentlich sollte es als volkswirtschaftliches und strategisches Schwerpunktprojekt auf Weisung von Präsident Medwedjew bereits im Dezember vollendet sein. Doch dann schlug der Start der letzten drei dafür erforderlichen Satelliten fehl.  

Nach Ansicht einiger Raumfahrtexperten wäre der Jahrestag auch gut geeignet, endlich die genaue Ursache für den Absturz Gagarins und seines Fluginstrukteurs Wladimir Serjogin bei ihrem Übungsflug mit der „MiG-15“ UTI an jenem verhängnisvollen 27. März 1968 zu ermitteln. Schon 2005 hatte sich dazu der Kosmosveteran Igor Kusnezow, der damals auch an den offiziellen Untersuchungen beteiligt war, an Putin gewandt. Er schlug vor, in einer zweiten offiziellen Untersuchung den Todesflug noch einmal mit den neuesten wissenschaftlichen und technischen Mitteln zu rekonstruieren. Doch Putin lehnte ab. Es gebe keinen Grund, die damaligen Untersuchungsergebnisse „in Zweifel zu ziehen“, beschied er Kusnezow. Deshalb sei eine „zusätzliche Untersuchung“ auch  „nicht zielführend“.  Dass 1968 die Ursache für diese nationale Katastrophe gar nicht gefunden wurde, hat man offenbar übersehen.  

(für dapd)