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Credit: ESA
Credit: ESA

Berlin/Moskau, 17. Dezember 2010 —  Ausgerechnet ein Italiener fordert die russische Raumfahrttechnik so richtig heraus. Mit seinen 1,88 Metern Körpergröße und 90 Kilogramm Lebendgewicht hat Paolo Nespoli, der am Freitagabend zusammen mit einem Russen und einer US-Amerikanerin in der Internationalen Raumstation ISS eingetroffen ist, die Grenzen der „Sojus“-Kapseln aufgezeigt. Gerade einmal zwei Zentimeter fehlen damit zur maximal zulässigen Größe und fünf Kilogramm zum Maximalgewicht.

 
Da Nespoli nicht in einen der „Standard-Sitze“ passte, habe man sich an eine Sonderanfertigung  gemacht, sagte der Generaldirektor und Chefkonstrukteur des Raumfahrtkonzerns „Energija“, Witali Lopota. Gemeinsam mit allen Partnern sei es schließlich gelungen, „eine individuelle Ausstattung, einen individuellen Sessel und eine individuelle Befestigung“ zu entwickeln, die die „Überbelastungen bei Start, Flug und Landung“ aushalten. „Ein großer Mensch braucht eben einen großen Sessel“, fügte Lopota hinzu. Er mache allerdings keinen Hehl daraus, dass „es natürlich besser ist, wenn alle drei Kosmonauten die gleiche Größe und das gleiche Gewicht haben“.
 
Lopota spielte dabei auf die Anfangszeiten der sowjetischen Raumfahrt an, wo die Kosmonauten nicht größer als 1,70 Meter und nicht schwerer als 70 Kilogramm sein durften. Wer sich heute die Fotos der 20 Mitglieder starken sogenannten Gagarinschen Garde von 1961 ansieht, findet das bestätigt.
 
Nespoli selbst zeigte sich sehr angetan von seinem Spezialsitz. Er sei „sehr bequem“, lobte er die Arbeit der „Energija“-Ingenieure. Das ändert allerdings nichts daran, dass der Hüne beim Einsteigen in die enge Kapsel mit ihren gerade einmal 3,5 Kubikmetern „Lebensraum“ für immerhin drei erwachsene Menschen erhebliche Schwierigkeiten hatte, wie beim Probesitzen zu sehen war. Der schwergewichtige Bordingenieur, der links vom russischen „Sojus“-Kommandanten Dmitri Kondratjew sitzt, stellte zudem die Ballistiker beim Austarieren der Kapsel vor eine besondere Herausforderung. Denn seine zierliche US-Astronauten-Kollegin Catherine Coleman auf der rechten Seite bringt gerade einmal etwas mehr als 40 Kilogramm auf die Waage. Das veranlasste sie zu der scherzhaften Bemerkung, da könne sie ja ihren zehnjährigen Sohn noch mitnehmen. Der würde mit seinen 37 Kilogramm auch in ihren Skaphander passen.
 
Eigentlich hat Nespoli Glück, dass er überhaupt mit einer „Sojus“-Kapsel starten kann, die gerade mal einen Außendurchmesser von 2,17 Metern und eine Länge von 2,24 Metern hat. Bis 2002 war das Raumschiff, das seit 1967 zuverlässig Dienst tut, nur Kosmonauten zwischen 1,64 und 1,82 Metern
Körpergröße sowie zwischen 56 bis 85 Kilogramm Gewicht vorbehalten. Erst die TMA-Version, die seit 2002 fliegt, hat mehr Platz. Mit einer Millionen-Dollar-Hilfe der NASA hatten die Russen die enge Kapsel damals innen entrümpelt und den Maßen der US-Astronauten für Mitflüge zur Internationalen Raumstation ISS angepasst. Zuvor mussten einmal amerikanische Raumfahrer sogar zu Hause bleiben, weil sie zu groß oder zu klein für die russische Hightech-Sardinenbüchse waren.
 
(für dapd)