Von Ulrich Thiessen
Die brandenburgische Staatskanzlei weigert sich laut Linken-Fraktionschef Sebastian Walter, Akteneinsicht im Fall des früheren DDR-Fliegerkosmonauten Sigmund Jähn zu gewähren. Gegenüber dieser Zeitung erklärte der Oppositionspolitiker am Donnerstag, dass er nach einer schriftlichen Mahnung Ende kommender Woche vor das Landesverfassungsgericht ziehen wird. Er will auch in Absprache mit der Familie Jähns Klarheit erlangen, warum der erste Deutsche im All nie eine bundesdeutsche Ehrung erfahren hat.
Ende August war durch einen Bericht der Zeitschrift „Super Illu“ bekannt geworden, dass die brandenburgische Staatskanzlei sich gegen eine Ehrung von Sigmund Jähn durch den Bundespräsidenten ausgesprochen hatte und damit die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes verhindert wurde. Der gebürtige Sachse war im August 1978 als erster Deutscher ins All geflogen und verbrachte sieben Tage auf der sowjetischen Raumstation Salut 6. Er lebte später bis zu seinem Tod im September 2019 im brandenburgischen Strausberg.
2018 hatten mehrere bundesdeutsche Astronauten Jähn für die Ehrung vorgeschlagen, weil er nach der Wende eine wichtige Rolle bei gemeinsamen Raumfahrtprojekten mit Russland gespielt hatte. Die Initiatoren der Ehrung erhielten die Mitteilung des Bundespräsidialamtes, dass schon früher eine Ehrung Jähns von der Staatskanzlei in Brandenburg, die bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes hinzugezogen wird, abgelehnt worden war. Regierungssprecher Florian Engels dementierte dies Ende August nicht und betonte, dass es grundsätzlich kein Anrecht auf Ordensverleihungen gebe und es prinzipiell keine Auskünfte zu Ordensprüfverfahren gebe.
Walter stellte daraufhin am 10. September einen Antrag auf Akteneinsicht. Passiert ist seitdem nichts. Das Landesverfassungsgericht hat in ähnlichen Fällen die Akteneinsicht angeordnet, wenn Behörden nicht innerhalb eines Vierteljahres reagierten. Walter verwies darauf, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke beim Tod von Sigmund Jähn 2019 diesen in den höchsten Tönen gelobt hatte. In einem Gratulationsschreiben zum 80. Geburtstag 2017 hatte der SPD-Regierungschef den Kosmonauten als „Helden für mehrere Generationen“ bezeichnet, der völlig zu Recht die Ehrenbürgerschaft von Strausberg erhalten habe.
Gerüchte um Stasi-Kontakte
Walter will klären, warum Woidke beziehungsweise seine Protokollabteilung sich dann gegen eine Ordensverleihung sperrten. Der Linken-Politiker verwies auf immer wieder aufkeimende Gerüchte, Jähn wäre als Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit geführt worden. Jähn hatte die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst bestritten. Selbst wenn dem so wäre, sagt Walter, gehöre das an die Öffentlichkeit. „Wir müssen lernen, auch mit den Widersprüchen in ostdeutschen Biografien umzugehen“, betont der Fraktionschef der
Linken. Die westdeutschen Astronauten, die die Ehrung von Jähn vorgeschlagen hatten, seien offenbar viel weiter in der Bewertung Ostdeutscher als es der brandenburgische Regierungschef ist , schlussfolgerte Walter.