
Berlin, 12. Mai 2021 — Sigmund Jähn umkreist derzeit zusammen mit drei Amerikanern, zwei Russen, einem Franzosen und einem Japaner in der Internationalen Raumstation ISS die Erde – allerdings nur virtuell auf einem Porträtfoto mit seiner Frau Erika. Die Idee dafür stammt von Pawel Winogradow, einem seiner vielen Freunde in Russland. Der Dreifachkosmonaut hatte Jähn im August 2018 noch zusammen mit Alexander Iwantschenkow in Morgenröthe-Rautenkranz die offiziellen Glückwünsche des Kosmonautenausbildungszentrums (ZPK) „Juri Gagarin“ im Sternenstädtchen bei Moskau zum 40. Jahrestag seines Fluges als erster Deutscher ins All überbracht.
Als Winogradow dann später vom überraschenden Tod Jähns und kurz darauf auch dessen Ehefrau erfuhr, startete er diese Privatinitiative. In einer Mail bat er mich um ein Foto des Ehepaares, das ich mit Unterstützung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch schnell von den Töchtern Marina und Grit erhielt. „Sigmund fehlt uns sehr“, schrieb mir Winogradow, der selbst zweimal in der Station war. Deshalb wolle er das Bild als Andenken an diese beiden „großartigen Menschen“ zur ISS schicken, dort in der Cupola-Aussichtsplattform vor dem Hintergrund der Erde abfotografieren lassen und dann den Töchtern zurückgeben.
Nun läuft diese Aktion. Am 9. April nahm Oleg Nowizki als Kommandant des Raumschiffes Sojus MS-18 das Papier-Bild und noch zwei andere Motive im persönlichen Handgepäck zur ISS mit. Die Erlaubnis dazu hatte die Leitung der Raumfahrtkorporation RKK Energija erteilt, wo die Sojus-Kapseln gebaut werden und Winogradow heute als stellvertretender Leiter des Kosmischen Flugzentrums arbeitet. Und kaum war Nowizki mit seinem Landsmann Pjotr Dubrow und dem NASA-Astronauten Mark Vande Hei dort angekommen, da machte er auch schon das historische Foto und mailte es postwendend zurück.
Die Töchter der Jähns waren die Ersten, die das Bild zu sehen bekamen. Ihr Kommentar: „Welch beeindruckende und bewegende Geste! Wir sind sehr gerührt, eine tolle Idee und wie schön, dass diese umgesetzt werden konnte!… Vielen großen herzlichen Dank von uns allen hier an alle Beteiligten. Großartig und außergewöhnlich!“
Das Original mit den Bordstempeln MKS (so die russische Abkürzung für ISS) und Potschta Rossija (Russische Post) hat Nowizki Mitte Oktober nach Beendigung seiner Mission wieder im persönlichen Gepäck. Zusammen mit einem Foto von den Grabsteinen der Jähns auf dem Friedhof in Strausberg und einem Schnappschuss Winogradows von Jähn erhalten die Töchter dann das Paket zurück.
Übrigens: Nach Thomas Reiter (2006/07), Hans Schlegel (2008) und Alexander Gerst (2014 und 2018) war Jähn somit quasi der vierte Deutsche in der ISS. Und wenn alles nach der bisherigen Planung läuft, wird Matthias Maurer Ende Oktober der fünfte sein. Er soll nämlich als ESA-Astronaut der 3. Crew Dragon-Mannschaft angehören.

Pawel Winogradow hat zwischen 1997 und 2013 bei seinen drei Missionen insgesamt 546 Tage in der Raumstation MIR und in der ISS geforscht. Ich selbst bin ihm 1998 bei den Raumfahrttagen in Neubrandenburg das erste Mal persönlich begegnet, wo ich für ihn gedolmetscht habe. Später durfte ich noch dreimal für ihn arbeiten, zuletzt in Morgenröthe-Rautenkranz zum 40. Jähn-Jubiläum.
© Gerhard Kowalski