Do.. Apr. 24th, 2025
Credit: G. Kowalski

Berlin,  13. Februar 2021 —   Die brandenburgische Stadt Strausberg hat am Samstag seines Ehrenbürgers Sigmund Jähn gedacht. Der erste Deutsche im All wäre an diesem Tag 84 Jahre alt geworden. Auch Freunde und Raumfahrtfans legten aus diesem Anlass am Grab des Ex-DDR-Kosmonauten und -NVA-Generals Blumen nieder,  der am 21. September 2019 verstorben war.

Die diesjährige Strausberger Ehrung des gebürtigen Vogtländers wurde von einem unwürdigen politischen Gerangel um die Namensgebung für das neue Planetarium am Holzplatz in Halle/Saale überschattet. Es soll das 2013 vom Hochwasser zerstörte Planetarium auf der Peißnitzinsel ersetzen,  das seit Jähns Raumflug mit seinem sowjetischen Kommandanten Waleri Bykowski zur Raumstation Salut-6 1978 seinen Namen trug.

Den Ton für die diesbezügliche Diskussion hat die Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur,  Birgit Neumann-Becker (CDU),  vorgegeben. Die ehemalige Studentenpfarrerin aus Görlitz sagte,  Jähn habe zu denen gehört,  „die die Diktatur in der DDR repräsentierten und das System bis zum Schluss stützten“. Dann fügte sie hinzu:  „Repräsentanten einer Diktatur eignen sich nicht als Namensgeber in der Demokratie,  noch dazu an einem außerschulischen Lernort. Man wird dort über ihn informieren,  ein zukunftsweisend gültiger Namenspatron kann er nicht sein.“

Die CDU,  die FDP und die Grünen lehnten daraufhin im Kulturausschuss des Stadtrates den Vorschlag der SPD,  der Linken und von MitBürger & Die PARTEI ab,  den Namen beizubehalten. In der Abstimmung am 3. Februar setzten sie mit Hinweis auf die Stellung des Namenspatrons zu DDR-Zeiten den immerhin neutralen Namen Planetarium Halle (Saale) durch. Angesichts des Kräfteverhältnisses im Stadtrat ist damit zu rechnen,  dass der dem am 24. Februar endgültig zustimmen wird.

Die Diskussion in Halle erscheint mir 30 Jahre nach dem Ende der DDR völlig aus der Zeit gefallen. Hat speziell Frau Neumann-Becker nicht mitbekommen,  wo die deutsche Öffentlichkeit inzwischen bei der Bewertung der Person Sigmund Jähns angekommen ist?

Die bundesdeutschen Astronauten beispielsweise,  die Jähn in den Weltraum gefolgt sind,  haben sich schon lange geschlossen hinter ihn gestellt und betrachten ihn als ihren Doyen. Gerhard Thiele sagte beispielsweise auf einem Treffen zum 40. Jahrestag des Jähn-Fluges 2018 in dessen vogtländischer Heimat Morgenröthe-Rautenkranz:  „Ich freue mich,  dass Du der Erste warst.“ Jähn und sein vogtländischer Landmann Ulf Merbold sind schon lange Freunde geworden,  obwohl der kurz vor dem Mauerbau aus politischen Gründen die DDR verlassen hatte. Der „Republikflüchtling“,  der 1983 auf eigene Initiative als zweiter Deutscher ins All geflogen ist,  hat dem entlassenen und arbeitslosen Ex-DDR-General in einer sehr noblen Geste als Berater beim heutigen Kölner Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) empfohlen. In dieser Eigenschaft hat Jähn maßgeblich geholfen,  fünf der zehn bundesdeutschen Astronauten auf ihre Flüge mit den Russen zur russischen Raumstation MIR und zur Internationalen Raumstation ISS vorzubereiten. Der jüngste und bislang letzte von ihnen,  Alexander Gerst,  hatte sogar bei seiner zweiten ISS-Mission ein DDR-Abzeichen von Jähns Flug dabei. Gerst hat das Abzeichen in der Aussichtsplattform Cupola vor dem Hintergrund der Erde fotografiert und seinem zutiefst gerührten Freund Sigmund zu dem Jahrestag überreicht.

Seit vielen Jahren ist Jähn auch schon Ehrenbürger der deutschen Hauptstadt Berlin und seines letzten Wohnortes Strausberg.

Dass Jähn schon bald nicht mehr unter uns weilen würde,  hat niemand vermutet. Sein plötzlicher Tod hat deutschlandweit Trauer und Bestürzung ausgelöst. Die Medien berichteten ungewöhnlich breit darüber.

Das DLR würdigte in seinem Nachruf den Verstorbenen als „Brückenbauer“  zwischen Ost und West. Dieses Prädikat hat auch die Bundesregierung übernommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte in seinem Kondolenzschreiben an Jähns Witwe Erika: „Mit Sigmund Jähn verlieren wir einen wundervollen Menschen und eine herausragende Persönlichkeit der Geschichte der Raumfahrt… Zum ´Helden wider Willen´ bestimmt,  hat Sigmund Jähn der Ruhm nicht daran gehindert,  sich selber treu zu bleiben. Wer ihm je begegnete,  dem bleiben seine Hilfsbereitschaft und seine liebenswürdige Bescheidenheit in Erinnerung.“ Deutschland trauere „um einen Mann,  der sich um unser Land in herausragender Weise verdient gemacht hat“.

Mit zwei wunderbaren Filmen hat auch das Fernsehen Jähn inzwischen ein würdiges Denkmal gesetzt. Schade,  dass er sie nicht mehr sehen konnte.

© Gerhard Kowalski