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Credit: NASA
Credit: NASA

Moskau, 25. September 2010 — Großes Aufatmen im russischen Flugleitzentrum (ZUP) in Koroljow vor den Toren Moskaus. Erleichert nahmen die Spezialisten am Samstagmorgen die erlösende Meldung aus dem tausende Kilometer entfernten Kasachstan auf, dass das Raumschiff „Sojus TMA-18“ mit drei Astronauten an Bord im zweiten Anlauf sicher und wohlbehalten von der Internationalen Raumstation ISS zur Erde zurückgekehrt ist. Die russgeschwärzte glockenförmige Kapsel hatte perfekt vertikal aufgesetzt.

Als Erster wurde der russische Kommandant Alexander Skworzow aus dem Raumschiff geborgen, dann seine US-Kollegin Tracy Caldwell Dyson und schließlich sein Landsmann Michail Kornijenko. Das Trio wurde traditionell mit einem Apfel begrüßt, später überreichte ihm ein orthodoxer Priester noch eine frische Gurke. Die Astronauten präsentierten sich trotz der 176 Tage in der Schwerelosigkeit und der hinten ihnen liegenden aufregenden letzten 24 Stunden in ausgesprochen guter Verfassung.
 
Nach einem ersten medizinischen Check vor Ort wurden sie im Hubschrauber in die zweieinhalb Flugstunden entfernte Stadt Karaganda gebracht. Von dort traten die beiden Russen die Weiterreise in das „Sternenstädtchen“ („Star City“) bei Moskau an, während die Amerikanerin nach Houston (Texas) flog.
 
Eigentlich sollten Skworzow, Kornijenko und Caldwell Dyson schon am Freitagmorgen landen. Doch wegen eines falschen Signals durfte „Sojus TMA-18″ nicht von der ISS abdocken. Ein Sensor hatte dem Bordcomputer gemeldet, dass die Luke zwischen dem Forschungsmodul „Poisk“ (Suche) und der Kapsel nicht hermetisch geschlossen sei. Ein Blick auf die Telemetrie entlarvte das zwar schnell als Fehlalarm. Doch die Russen entschieden sich vorsichtshalber, die Rückkehr des Trios um einen Tag zu verschieben. Inzwischen ist klar, dass der Fehler nicht im System lag, sondern „Marke Eigenbau“ war. Ein Kosmonaut habe einen Hebel mit „unangemessenem Kraftaufwand“ betätigt. Dabei sei  ein „kleiner
Bolzen“ gebrochen, sagte Roskosmos-Chef Anatoli Perminow auf einer Pressekonferenz im ZUP. Dank des professionellen Handelns aller Beteiligten sei der Schaden aber schon am Freitagmittag behoben gewesen.
 
Eine wichtige Rolle bei der Verschiebung spielte auch das Zeitfenster für die Landung, die nur in einem genau vorausberechneten Gebiet Kasachstans stattfinden kann. In aller Eile wurden die Bergungsmannschaften mit ihren 15 Flugzeugen und Hubschraubern sowie sechs geländegängigen Fahrzeugen, die nahe der Stadt Dsheskasgan stationiert waren, in das weiter nördlich gelegene neue Landegebiet bei Arkalyk beordert. Anders als die US-Space Shuttles kommen die russischen Raumschiffe nämlich nicht wie ein Flugzeug auf einer Betonpiste auf ihrem Kosmodrom Baikonur zurück, sondern dort, wohin sie der Steppenwind an ihren Fallschirmen gerade trägt. Dadurch gelten Abweichungen von zehn Kilometern durchaus noch als „Punktlandung“.
 
Die Erleichterung der Russen war auch deshalb so groß, weil auf ihnen angesichts der bevorstehenden Einstellung der Shuttle-Flüge die ganze Last des Personenverkehrs von und zur ISS ruht. Da wollen und dürfen sie sich bei ihren „Sojus“-Kapseln, die seit 1967 (!!) im Einsatz sind, keine Schwächen leisten. Nach einigen Problemen mit ungesteuerten Landungen in der jüngsten Vergangenheit gab es nun zum ersten Mal Schwierigkeiten beim Abkoppeln. Für Moskau ist das auf jeden Fall ein ernstes Warnsignal. Ein wenn auch nur kurzzeitiger Ausfall der Kapseln käme gerade vor dem 50. Jahrestag des historischen Fluges von Juri Gagarin vom 12. April 1961 einer mittleren Katastrophe gleich. Denn dadurch geriete auch das milliardenteure Jahrhundert-Projekt ISS in echte Gefahr.
(für dapd)