Die Technik ist da
Die Frage, weshalb wir uns mit der Wiederholung dessen so schwer tun, was schon Ende der sechziger Jahre überzeugend gelang, bringt auch die Experten zum Grübeln. In der Tat: Offenbar hat es nur der mutigen Rede von US-Präsident John F. Kennedy vom 25. Mai 1961 bedurft, um die ganze Nation zu einem einzigartigen Kraftakt zu mobilisieren. Natürlich spielte der politische Gegner, die Sowjets, dabei eine ganz entscheidende Rolle, denn sie hatten 1957 mit dem ersten Satelliten Sputnik und vier Jahre sp äter mit dem ersten Raumfahrer Juri Gagarin die Führungsmacht USA in eine große Sinnkrise gestürzt. Der Auftrag Kennedys lautete, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Amerikaner zum Mond zu schicken und wieder heil herunter zu holen – und das, obwohl die Amerikaner damals im Gegensatz zu den Russen noch nicht einmal einen eigenen Astronauten in die Erdumlaufbahn gebracht hatten. Kennedys Auftrag wurde erfüllt, wenn auch in letzter Minute, weil es in den USA dafür einen großen gesellschaftlichen Konsens gab. Amerika hatte sein arg lädiertes Selbstbewusstsein wieder hergestellt.
Dass der Mond noch so lange auf den nächsten Besuch warten muss, kann an der Technik nicht liegen. Denn die hat in den vergangenen 40 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Jedes Handy hat heute mehr Rechenleistung als die Apollo-Bordcomputer damals. Schuld an der langen Zeitspanne ist eher der fehlende politische Wille. Es gebe immer weniger Geld und die Entscheidungsprozesse seien „komplexer und länger“ geworden, klagt Professor Ralf Jaumann vom Berliner Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Gesellschaft sei „pluralistischer“ und führe eine große Debatte über Sinn und Unsinn solcher Vorhaben oder über die Frage, ob man denn eher zum Mars als zum Mond fliegen solle. Außerdem habe man auch mehr negative Erfahrungen mit Raumfahrt-Katastrophen gesammelt, sagt der Wissenschaftler.
Vor kurzem h at auch Präsident Barack Obama die US-Mond-Euphorie gebremst. Er stellte das noch unter seinem Vorgänger George W. Bush beschlossene Constellation-Programm, das den Bau des neuen Raumschiffes Orion nebst Lander und der neuen Ares-Trägerrakete für den Flug zum Mond vorsieht, auf den Prüfstand. Bis August sollen Wissenschaftler das Vorhaben nun noch einmal unter die Lupe nehmen.
Die Russen lecken sich beim Thema Mondflug indes noch heute ihre Wunden. Sie haben den Wettlauf mit den USA damals dermaßen sang- und klanglos verloren, dass sie der Welt jahrzehntelang verschwiegen, überhaupt ein bemanntes Mondprogramm besessen zu haben. Der Triumph Wernher von Brauns, der immerhin zwölf Astronauten auf Erdtrabanten brachte, die dort 381 Kilogramm Mondgestein einsammelten, war zugleich das Ende der sowjetischen kosmischen Führungsträume. Heute spielt Russland zum Leidwesen von Ministerpräsident Wladimi r Putin nur noch als „Lohnkutscher“ in der Raumfahrt die erste Geige. Rund 40 Prozent aller Weltraumstarts erfolgen mit russischen Trägerraketen. Dafür hat das Riesenreich kaum einen eigenen Wissenschaftssatelliten auf der Umlaufbahn, das knappe Geld reicht gerade einmal, um die Verpflichtungen bei der ISS zu erfüllen. In der mittelfristigen Raumfahrtplanung 2006–2015 wurden deshalb der Mond und der Mars gar nicht erst erwähnt. Erst auf Intervention Putins, der die Raumfahrt zu einem Schlüsselfaktor der sozial-ökonomischen Entwicklung seines Landes machen will, ist jetzt nachgebessert worden. Ziel ist nun, 2025 auf dem Mond zu landen und ab 2027 dort eine ständige Basis zu errichten.
Russen wollen zum Mars
Es scheint, dass Seljony das bis vor kurzem noch geheime Mars-Programm von Chefkonstrukteur Sergej Koroljow (1907-66) von Anfang der sechziger Jahre wiederbeleben will. Koroljow hatte Pläne, schon 1974 einen Menschen zum Roten Planeten schicken. Doch dann wurde er vom Politbüro zurückgepfiffen und musste seine Mars-Rakete in eine Mond-Rakete umwandeln, die aber nie das Fliegen lernte.