Mi.. Apr. 2nd, 2025

Von Gerhard Kowalski

 

Credit: G. Kowalski

Eberhard Köllner hat im Stillen gehofft,  auch einmal in den Weltraum fliegen zu können,  als er im August 1978 in Baikonur auf der Startrampe stand und sah,  wie Sigmund Jähn als erster Deutscher ins All gestartet ist. Ich stand neben ihm. Mit Tränen in den Augen bat er mich um eine Zigarette. Ich hätte ihm liebend gern diesen Wunsch erfüllt,  aber ich war Nichtraucher. Ein Journalistenkollege reichte ihm dann aber eine Club.

Jähns Double war damals davon ausgegangen,  wie er mir sagte,  dass es im Rahmen des Interkosmos-Programms durchaus eine „zweite Runde“  geben könnte,  bei der er dann wohl zum Zuge gekommen wäre. Allerdings habe er „nicht überblickt,  dass das DDR-System ökonomisch so ausgereizt war“. Die Sowjets hätten als „Startfenster“  für die zweite Mission das Jahr 1992 reserviert. Das wäre dann sicher auch die große Chance für Köllner gewesen,  der ja die gesamte Kosmonautenausbildung im Sternenstädtchen  bei Moskau an der Seite Jähns erfolgreich absolviert hatte. Der Flug sollte aber mindestens 50 Millionen Westmark kosten. Doch die DDR hatte dieses Geld nicht und brach zudem zuvor zusammen.

Köllner schied im Range eines Obersten freiwillig aus der Nationalen Volksarmee (NVA) aus,  absolvierte ein Betriebswirtschaftsstudium und arbeitete bis zur Rente als Dispatcher in der freien Wirtschaft. „Die Uniform der Bundeswehr anzuziehen,  hätte ja bedeutet,  zum Gegner überzulaufen“,  begründete er seine Entscheidung. Das hätte seiner „politischen Grundauffassung“  widersprochen.

Ironie der Geschichte:  Das für die DDR reservierte „Startfenster“  wurde dann doch noch genutzt. Es flog aber nicht Köllner,  sondern der Bundeswehroffizier Klaus-Dietrich Flade im Rahmen der Mission MIR 92.

Und so blieb Köllner lebenslang die undankbare Rolle des Doubles. Diese hat er aber stets mit großer Würde und ohne jeglichen Groll ausgefüllt. Am 29. September begeht er nun in Neuenhagen bei Berlin seinen 80. Geburtstag. Leider wird der vom Tod seines Freundes Sigmund überschattet. Der ist am vergangenen Samstag plötzlich und unerwartet im benachbarten Strausberg verstorben.

Die deutsche Raumfahrtgemeinde rätselt jetzt,  wie es ohne den allseits beliebten und bescheidenen Kosmoshelden weitergehen soll,  der leider erst nach seinem Tode die ihm gebührende gesamtdeutsche Würdigung erfuhr. Und da kommt für mich Köllner ins Spiel. In letzter Zeit hat er Jähn schon verstärkt bei der Wahrnehmung seiner zahllosen gesellschaftlichen Verpflichtungen unterstützt. Jetzt könnte er mit seinem fortgesetzten Engagement die schmerzliche Lücke schließen helfen,  die der erste Deutsche im All hinterlässt,  und damit auch sein Double-Dasein krönen.

Berlin,  den 28. September 2019