So. Sep 8th, 2024
Moskau — Sie wurden empfangen wie Kosmonauten nach einem richtigen Raumflug: Hübsche Mädchen überreichten den sechs Probanden des Experiments «Mars 500» im Moskauer Institut für Medizinisch-Biologische Probleme (IMBP) einen großen Strauß Margeriten, als sie am Dienstag nach 105 Tagen wieder auf der Erde «landeten». Strahlend kamen die Männer in blauen Overalls aus der «Tonne», wie sie ihren zeitweiligen Arbeitsplatz nennen. Der simulierte Flug von vier Russen, eines Franzosen und des deutschen Bundeswehroffiziers Oliver Knickel, der in einer Halle des Instituts auf engstem Raum in drei fensterlosen Modulen stattfand, war damit beendet.
Der Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner, sagte bei der Begrüßung, er sei «sehr glücklich über den erfolgreichen Abschluss des Experiments». Damit sei der erste Schritt in Richtung eines bemannten Marsfluges getan. Er hoffe auf eine «reiche wissenschaftliche Ernte», bevor Anfang nächsten Jahres der zweite Schritt in Angriff genommen werden könne – ein Realzeitflug-Experiment von 520 Tagen.

Oliver Knickel

Oliver Knickel sagte, «Mars 500» sei für ihn eine «großartige Herausforderung und Erfahrung zugleich» gewesen. Er habe dreieinhalb Kilogramm Gewicht verloren und sei «froh, jetzt wieder draußen zu sein». Am meisten habe er in den knapp vier Monaten seine Freundin vermisst. Eine Teilnahme an dem 520-Tage-Flug würde er sich «zwei- oder dreimal überlegen», sagte Knickel, der in dem Container seinen 29. Geburtstag feierte. Zwar habe er an diesem Tag Nachtdienst gehabt. Dennoch habe er ein bisschen mit seinen Kollegen gefeiert, die seine Freunde geworden seien.

Der Offizier verriet, dass auch ein Porträt von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit an Bord gewesen sei. Die Idee mit dem Bild stamme allerdings von den Russen, die führende Politiker, Dichter, Sportler und andere Persönlichkeiten der drei teilnehmenden Nationen mit dabei haben wollten. So habe es noch ein Bild von Johann Wolfgang von Goethe, Lothar Matthäus und – auf seinen speziellen Wunsch – seines Vorbildes Thomas Reiter in dem improvisierten Raumschiff gegeben.

Die Bedingungen bei dem Experiment hätten sich so nahe wie möglich an einem echten Flug orientiert, der frühestens in 30 Jahren aktuell werde, sagte Programmdirektor Boris Morukow. Das Einzige, was gefehlt habe, sei die Schwerelosigkeit gewesen. Bei dem Experiment sei es vor allem um die Frage gegangen, wie sich der Mensch bei langen Raumflügen unter extremem Bedingungen verhalte und welche Gruppendynamik dabei wirke.

Die Verbindung zur Außenwelt war deshalb nur per Computer möglich, Sprechkontakt gab es nicht. Die Bodenzentrale mischte sich nicht in das Bordgeschehen ein, sondern beobachtete nur. Gearbeitet wurde rund um die Uhr – unter den Augen von 16 Kameras, die bis in den letzten Winkel der Station blickten. Die einzige Intimsphäre war die drei Quadratmeter kleine Kajüte, in die sich die Männer für die Nacht zurückziehen konnten.

Das Programm war vollpfropft mit 72 Experimenten, an denen auch mehrere deutsche Universitäten und die Kölner Sporthochschule beteiligt waren. Mit schöner Regelmäßigkeit «baute» die Bodenstation auch Havariefälle ein, bei denen die Besatzung ihre Kompetenz unter Beweis stellen musste: Da fielen wichtige Apparaturen und Trainingsgeräte aus, die wieder repariert werden mussten. Es kam auch zu einem simulierten Druckabfall und einer ungewöhnlichen Druckerhöhung, die schnelles Handeln erforderten. Die Probanden hätten aber alle Situationen «hervorragend gemeistert» und seien «sehr gut» miteinander ausgekommen, betonte Morukow.

«Mars 500» ist ein gemeinsames Projekt der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAN), der Raumfahrtagentur Roskosmos und der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Die ESA hat rund 1,5 Millionen Euro beigesteuert. Die ESA-Direktorin für bemannte Raumflüge, Simonetta Di Pippo, äußerte denn auch die Hoffnung, dass im nächsten Jahr mindestens ein europäischer Kandidat an dem Hauptexperiment teilnehmen könne.

(Veröffentlicht am 14. Juli 2009)