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Berlin/Moskau —  Nach ihrem simulierten 105-Tage-Flug zum Roten Planeten bekommen die sechs Teilnehmer des Experimentes „Mars 500“ am Dienstag in Moskau wieder festen Boden unter die Füße. In den vergangenen dreieinhalb Monaten haben vier Russen  ein Franzose und der Deutsche Oliver Knickel im Institut für Medizinisch-Biologische Probleme (IMBP) der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAN) quasi im Zeitraffertempo eine Mars-Reise durchgespielt, die in Wirklichkeit aber frühestens in 30  Jahren stattfinden kann.

Die Studie wird als erster Schritt zum Mars angesehen. Sie dient der Vorbereitung der Realzeit-Simulation eines solchen Fluges  von 520 Tagen,  der Anfang kommenden Jahres beginnen soll.

Wenn der 28-jährige Bundeswehrhauptmann  Knickel und seine Kameraden am Dienstagnachmittag um 14.00 Uhr Moskauer Zeit (12.00 Uhr MESZ)   erstmals wieder das Tageslicht erblicken, haben sie eine ganze Reihe wissenschaftlicher Experimente hinter sich,  die das Verständnis für die psychologischen und gesundheitlichen Aspekte langer Raumflüge verbessern helfen sollen. Seit dem  31. März durchliefen die Probanden in einem 500 Kubikmeter großen System von röhrenförmigen Wohn-, Wirtschafts­- und Medizinmodulen alle möglichen  Szenarien  wie bei einer echten  Mission zum Roten Planeten  – vom  Start über den Hinflug, den Aufenthalt auf der  Marsoberfläche bis zur  langen Rückreise. Die Männer hatten zudem simulierte Notfälle zu meistern und konnten wegen der gewaltigen Distanz mit der Bodenstation nur mit 40-minütiger Verzögerung kommunizieren.

Die Experimente stammten aus Forschungseinrichtungen mehrerer europäischer Länder, Russlands und der Vereinigten Staaten.  Aus Deutschland waren unter anderem die Universität Erlangen-Nürnberg, die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Universität Bremen und die Deutsche Sporthochschule Köln beteiligt. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie die Leistungsfähigkeit eines Menschen unter den extremen Bedingungen eines Marsfluges erhalten werden kann. Die Ergebnisse der Studie, für die sich mehr als 6000 Personen aus 30 Ländern beworben hatten, sollen aber auch Aufschluss20über die Bewältigung von Stress-Situationen auf der Erde geben.

Das Gemeinschaftsprojekt der Raumfahrtagentur Roskosmos, der RAN und der Europäischen Weltraumorganisation ESA, die 1,5 Millionen Euro beigesteuert hat,  findet aber nicht nur Befürworter. So bezweifelt der  russische Weltraumveteran Walentin Lebedew den Nutzen des  Experiments. Es bringe den Wissenschaftlern nicht die erforderlichen Daten für einen interplanetaren Flug, schrieb das Korrespondierende RAN-Mitglied in einem Artikel.   Lebedew, der bei zwei Flügen 1973 und 1982 gut sieben Monate im All war,  verwies  darauf, dass bereits seit Jahrzehnten Langzeitflüge von einem halben Jahr und mehr in Raumstationen durchgeführt werden. Das Mars-Experiment sichere zudem „nicht die erforderliche psychologische Atmosphäre, da die Teilnehmer den Raum in jedem beliebigen Moment verlassen können“, kritisierte der Wissenschaftler. Hier sei alles  so, als würde man sich „im Winter auf einem Moskauer TeichE2 für eine Expedition auf einer driftenden Eisscholle in der Arktis vorbereiten.  „Lebensnaher“  wäre deshalb ein „spezielles Weltraummodul“, das einem Marsraumschiff nachempfunden ist und an die Internationale Raumstation ISS angekoppelt  wird.
(Veröffentlicht am 12. Juli 2009)