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Berlin/Moskau —  Für die Internationale Raumstation ISS hat am Freitag eine neue Ära begonnen. Mit dem Raumschiff „Sojus TMA-15“, das überpünktlich (zwei Minuten früher) um 14.34 Uhr deutscher Zeit automatisch an die ISS andockte, kam diesmal nicht die Ablösung für die alte Dreier-Stammbesatzung auf die Umlaufbahn. Der Russe Roman Romanenko,  der Belgier Frank de Winne und der Kanadier Robert Thi rsk komplettieren vielmehr die Crew. Gemeinsam mit Gennadi Padalka (Russland), Michael Barratt (USA) und Koichi Wakata (Japan), die schon seit März auf der Umlaufbahn sind, bilden sie die nunmehr 20.,  zugleich aber erste sechsköpfige Stammbesatzung. Kommandant bleibt der Russe Padalka. Ihn löst im Oktober mit Frank de Winne erstmals ein ESA-Astronaut ab.

Mit Erreichen der personellen Soll-Stärke elf Jahre nach Baubeginn kann die ISS künftig  alle Trümpfe voll ausspielen, die dieses größte Technologieprojekt der Menschheitsgeschichte zu bieten hat. Symbolisiert wird das auch durch die erstmalige Anwesenheit von Vertretern  aller Vertragspartner: USA, Russland, ESA/Europa, Japan und Kanada. Ein Wermutstropfen im Becher der Freude ist allerdings, dass der Stationsvertrag derzeit nur bis 2015 gilt. Die USA waren bisher nicht bereit, ihn bis 2020 verlängern, wie es die anderen Partner wünschen. Bei den Russen kursiert deshalb schon eine Notfallvariante, in der von einer Abkopplung ihres Segments ab 2015 die Rede ist.

Europa ist für die neue Zeit bestens aufgestellt. Mit dem in Bremen gebauten Forschungslabor „Columbus“ verfügt es seit dem vergangenen Jahr über ein eigenes Segment für vielfältige wissenschaftliche Experimente. Zudem leistet die Europäische Weltraumorganisation ESA mit dem automatischen Frachtraumschiff ATV (Automated Transfer Vehicle), das seinen Jungfernflug 2008 blendend absolviert hat, einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der ISS mit Treibstoff, Lebensmitteln und Material. ATV-2, das den Namen des großen deutschen Astronomen Johannes Kepler (1571-1630) erhält,  soll Ende 2010 mit Nachschub zur Station aufsteigen.

Die Anwesenheit von Frank de Winne und des Schweden Christer Fuglesang, der später im Jahr hinzustößt,  in der ISS gebe der Mannschaft „einen europäischen Touch“, freu te sich der ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain. Er wünsche allen eine „erfolgreiche Mission“ und sei „überzeugt“,  dass alle Mitglieder des Sextetts „einmal mehr unter Beweis stellen werden, dass der Weltraum jener Ort ist, wo die internationale Kooperation am besten zum Ausdruck kommt – zum Wohle aller Bürger der Welt“.

Die ISS-Vertragspartner haben den Start von „Sojus TMA-15“ zum Anlass genommen, auch andere Staaten zur Mitarbeit an der Station und der Erschließung des Weltraums im weitesten Sinne einzuladen. Der Appell richtet sich insbesondere an die aufstrebende Weltraummacht China, das inzwischen eine eigene Raumstation plant. Je mehr Länder da mitmachten, desto schneller und effektiver  komme man bei dieser „nicht einfachen Arbeit“ voran, sagte Michael Suffredini von der US-Luft- und Raumfahrtagentur NASA. Der Kanadier Steve MacLean erinnerte daran, dass bisher schon rund 80 Länder  „in dieser oder jener Form“ bei der ISS dabei seien.

Moskaus Raumfahrtagentur Roskosmos  hat am Freitag mitgeteilt, dass mit der NASA ein Vertrag über 306 Millionen Dollar für den Mitflug von vier US-Astronauten mit „Sojus“-Raumschiffen zur ISS in den Jahren 2012/2013 unterzeichnet wurde. Damit erhalten die finanziell klammen russischen Raumfahrtschmieden jene Mittel, die sie für den Bau neuer Kapseln so dringend brauchen. Die Amerikaner sind nach der geplanten Einstellung der Shuttle-Flüge im Jahr 2010 voll von russischen Transportleistungen abhängig. Erst 2015 soll der Shuttle-Nachfolger „Orion“ zur Verfügung stehen.

Den sechs Astronauten blieb indes am Freitag nicht viel Zeit zum Feiern. Kaum hatten sich die „Neulinge“ in der Station halbwegs eingerichtet, da begann auch schon der harte All-Tag mit seinem bis auf die Minute aufgeschlüsselten Programm. Frank de Winne machte sich an seine Experimente mit dem beziehungsreichen Namen „OasISS“ – eine  Kombination aus dem Wort Oase und dem Stationskürzel. Padalka und Barratt bereiten sich derweil auf ihren ersten „Weltraumspaziergang“  Ende nächster Woche vor, bei dem die ISS für künftige Aufgaben fit gemacht werden soll.

(Veröffentlicht am 29. Mai 2009)