Baikonur, 6. Juni 2018 — Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst, der Russe Sergej Prokopjew und die Amerikanerin Serena Aunon Chancellor sind auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS. Ihr Raumschiff Sojus MS-09 hob am Mittwoch bei leicht bewölktem Himmel pünktlich um 13.12 Uhr deutscher Zeit an der Spitze einer Sojus-FG-Trägerrakete vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan ab.
Der Start erfolgte von der sogenannten Gagarinschen Rampe. Von ihr waren am 12. April 1961 der erste Kosmonaut der Welt, der Russe Juri Gagarin, zu seiner historischen Erdumkreisung und vor nunmehr fast 40 Jahren, am 26. August 1978, auch der erste Deutsche im All, Sigmund Jähn, zu seiner einwöchigen Mission zur Raumstation Salut 6 aufgebrochen. Die Ankopplung des Trios an die ISS ist für Freitag um 15.07 Uhr geplant.
Sigmund Jähn wohnte auf spezielle Einladung seines Freundes Gerst dem Bilderbuchstart bei. Auch der deutsche Zweifachflieger Thomas Reiter, der heute in führender Position bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA tätig ist, und Reinhold Ewald verfolgten das Geschehen. Sie waren 1995 beziehungsweise 1997 von hier zur MIR-Station geflogen. Auf der Zuschauertribüne sah man auch Gersts Eltern sowie zahlreiche deutsche Raumfahrtfans und eine riesige Pressemeute.
Für Gerst ist das nach 2014 bereits die zweite ISS-Mission. Der Ex-Kampfpilot Prokopjew und die Ärztin Aunon-Chancellor sind hingegen Weltraumneulinge. Während ihres 187-Tage-Fluges stehen ihnen eine Vielzahl von wissenschaftlichen Experimenten bevor. Allein Gersts horizons-Programm umfasst 67 Positionen, von denen 41 aus Deutschland stammen.
Gerst wird zudem in der zweiten Flughälfte als erster Deutscher und nach dem Belgier Frank de Winne zweiter Westeuropäer das Kommando in der ISS übernehmen – eine Aufgabe, vor der er „großen Respekt“ habe, wie er bekannte. Denn immerhin handele es sich bei der Station mit dem druckbeauflagten Volumen eines Jumbo-Jets um die komplizierteste Maschine der Menschheitsgeschichte. Wenn alles nach Plan läuft, wird Gerst im Dezember mit 352 Tagen auch als neuer westeuropäischer Langzeitflugrekordler zurückkehren. Derzeit ist das mit 350 All-Tagen noch Thomas Reiter, der nach der MIR-Mission 2006 auch ein knappes halbes Jahr in der ISS unterwegs war. (Anmerkung: neue Rekorde gelten international aber nur dann, wenn der alte um mindestens zehn Prozent überboten wird)
An der dritten Sojus-Raketenstufe prangte übrigens ausnahmsweise das Emblem der Fußball-Weltmeisterschaft 2018. Normalerweise fliegen die russischen Raketen namenlos. Ausnahmen bildeten bisher nur Juri Gagarin 2011, die Olympischen Winterspiele von Sotschi 2014 und Sergej Koroljow 2017.
Von russischer Seite gab es bei dem Start zudem eine Premiere: Der frisch ernannte neue Generaldirektor des Raumfahrtstaatskonzerns GK Roskosmos, Dmitri Rogosin, hatte seinen ersten internationalen Auftritt. Der ehemalige Vizepremier, der für das Militär und die Raumfahrt zuständig war, soll jetzt im Auftrag von Präsident Wladimir Putin die beschleunigte Entwicklung der Branche einleiten und vorantreiben, die unter finanziellen und Qualitätsproblemen leidet. Zudem darf man gespannt sein, wie Rogosin künftig seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen will. Denn er steht sowohl bei der EU als auch in den USA und Kanada auf der Sanktionsliste.
In Baikonur hatte Rogosin noch vor dem Start bilaterale Gespräche mit dem ESA-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner, der Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Pascale Ehrenfreund, und NASA-Vize William Gerstenmaier geführt. Dabei ging es vor allem um die perspektivische Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit über die ISS hinaus und auch um die Einbeziehung privater Partner.
„Deutschland ist seit 40 Jahren ein fester Bestandteil der internationalen astronautischen Raumfahrt. Seit der Mission Sojus 31 mit Sigmund Jähn haben zehn weitere deutsche Kosmonauten und Astronauten im Auftrag der Wissenschaft hunderte von Experimenten in der Erdumlaufbahn durchgeführt“, betonte Pascale Ehrenfreund zum Start. Egal ob Forschung und Entwicklung oder Raumfahrtmanagement – das DLR stehe mit seiner technologischen Kompetenz und wissenschaftlichen Exzellenz sowie seinen internationalen Partnern für die gemeinsame erfolgreiche Arbeit auf der Internationalen Raumstation. Alexander Gerst führe mit der horizons-Mission die Arbeit der vergangenen 40 Jahre fort.
(siehe dazu auch mein Interview mit Sputnik Deutschland unter https://sptnkne.ws/hGp6)
© Gerhard Kowalski