

Die ganze Welt feiert am heutigen Donnerstag ihre Kosmoshelden – nur die Bundesrepublik scheint dabei ein Problem mit dem ersten Deutschen im All, Sigmund Jähn, zu haben. Grund dafür ist offenbar der neue Traditionserlass der Bundeswehr. In ihm wird zum ersten Mal auch die NVA der DDR erwähnt und zudem unverständlicherweise mit der Nazi-Wehrmacht quasi auf eine Stufe gestellt. Und Jähn war immerhin NVA-General und in der Wendezeit sang- und klanglos entlassen worden.
Im Vorfeld des 40. Jahrestages des Raumfluges Jähns von 1978 hatte ich mich mit einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt, um ihre Haltung zum Status des Kosmonauten im geeinten Deutschland in Erfahrung zu bringen. Ich fragte sie zum Beispiel, warum ihr der 80. Geburtstag Jähns im vergangenen Jahr keinen Glückwunsch wert war und ob seine ostdeutsche Herkunft damit zu tun habe. Zudem wollte ich wissen, wie sie in diesem Jahr mit dem Jubiläum umzugehen gedenke. Die Kanzlerin ließ mir durch eine Mitarbeiterin mitteilen, dass die ostdeutsche Herkunft Jähns bei der Entscheidung keine Rolle gespielt habe, ihm nicht zu gratulieren. Auf meine Rückfrage, woran es denn sonst gelegen habe, bekam ich keine Antwort mehr. Auch eine weitere diesbezügliche Frage vom Wochenende – diesmal an das Bundespresseamt – blieb unbeantwortet.
Inzwischen ist der neue Traditionserlass veröffentlicht worden, und da wurde mir klar, weshalb die Kanzlerin bei ihrer Antwort so kurz angebunden war. Zum einen wollte sie sicher dem Erlass nicht vorgreifen, und zum anderen scheint sie wieder einmal gegen ihre eigene Maxime verstoßen zu haben, nämlich alle ihre Entscheidungen vom Ende her zu denken.
Immerhin ist Jähn nicht nur eine Person der deutschen, sondern auch der Weltgeschichte, eine international hoch geachtete zudem. Der Weltraumpionier machte mit seinem Flug die DDR nach der UdSSR, den USA, der CSSR und der VR Polen zum 5. von bisher rund 40 Staaten mit einem Raumfahrer. Zudem ist er der 90. im Eliteklub der inzwischen gut 550 Frauen und Männer, die unsere Erde aus der Weltraumperspektive bewundern durften.
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die Bundesregierung Jähns Leistung zu schätzen weiß und sich über seine „Morgengabe“ freute, die er in das geeinte Deutschland mitgebracht hat. Nun scheint es, als ob Deutschland diesen geschichtsträchtigen 5. Platz von der inzwischen untergegangenen DDR nicht übernehmen will. Kleinkarierter geht es nicht! Dabei hat Jähn inzwischen der Hälfte seiner bislang zehn bundesdeutschen Nachfolger und noch vielen anderen europäischen Astronauten auf ihrem Weg mit russischen Raumschiffen ins All beratend zur Seite gestanden.
Der neue Traditionserlass sieht vor, dass in seltenen Ausnahmefällen sowohl ehemalige Wehrmachts- als auch NVA-Angehörige in das „Traditionsgut der Bundeswehr“ aufgenommen werden können. Generalfeldmarschall Rommel hat das offenbar schon geschafft, was mit Ex-General Jähn wird, ist scheinbar noch nicht geklärt. Ich hoffe auf eine baldige positive Entscheidung, denn die ersten Aktivitäten zum 40. Jahrestag seines Fluges haben schon begonnen, so in der Deutschen Raumfahrtausstellung in seinem Heimatort Morgenröthe-Rautenkranz. Übrigens: Zum 25. Jahrestag des Fluges 2003 hat Bundespräsident Johannes Rau Jähn dort höchstpersönlich seine Aufwartung gemacht.
Hier noch ein anderer Hinweis: Kenner der Biografie Jähns wissen, dass er eigentlich gar nicht der erste Deutsche im All sein sollte. Die DDR-Führung hatte sich nämlich einen anderen NVA-Offizier ausgeguckt. Doch den akzeptierten die sowjetischen Genossen nicht. So flog Jähn mit seinem sowjetischen Kommandanten Waleri Bykowski zur Raumstation Salut-6. Der andere wurde dann im Generalsrang in die Bundeswehr übernommen.
Berlin, den 12. April 2018
Gerhard Kowalski