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Paris — Der deutsche Physiker Alexander Gerst greift nach den Sternen. Der Künzelsauer, Jahrgang 1977,  ist einer jener sechs Glücklichen von rund 8 000 Bewerbern, die es ins  Astronautenkorps der Europäischen Weltraumorganisation ESA geschafft haben. Gemeinsam mit zwei Italienern, darunter eine Frau, und je einem Dänen, Franzosen und Briten wurde Gerst am Mittwoch in Paris von  ESA-Generaldirektor  Jean-Jacques Dordain und der  Direktorin für bemannte Raumflüge, Simonetta Di Pippo, der Presse vorgestellt.

Gerst sagte, für ihn sei mit der Nominierung „ein Traum“ wahr geworden, den er seit seiner Kindheit gehegt habe. Denn sein Großvater, ein Funkamateur, habe ihn für die Raumfahrt  begeistert. Der Physiker betonte, er sei „stolz“, im Team des Astronautenkorps an der  Umsetzung der europäischen Raumfahrtpolitik mitwirken zu können.

Der Koordinator für die Luft- und Raumfahrt der Bundesregierung, Staatssekretär Peter Hintze (CDU), sagte, die Wahl von Gerst ins Astronautenkorps sei ein großer Tag für Deutschland. Er hoffe, dass ein de utscher Astronaut  künftig auch einmal seinen Fuß auf den Mond20oder gar Mars setzen könne.

Dordain hatte eingangs betont, die ESA stehe an einem Wendepunkt ihrer Geschichte. Nach dem Start des ersten eigenen Raumtransporters „Jule Verne“ und des Wissenschaftsmoduls „Columbus“ zur Internationalen Raumstation ISS im vergangenen Jahr gelte es nun, die europäischen Forschungsressourcen im All effektiv zu nutzen. Dazu würden auch zusätzlich zu den acht bereits ausgebildeten ESA-Astronauten neue Kräfte gebraucht. Ursprünglich habe man nur vier neue Kandidaten auswählen wollen. Doch dann habe man sich für sechs entschieden, da sich die ESA in Verhandlungen mit den Russen und den USA neben den sieben bereits vertraglich vereinbarten Mitflügen um weitere Plätze bemühe.

Auf die Ausschreibung vom Mai 2008 waren 8413 gültige Bewerbungen aus allen ESA-Mitgliedsstaaten eingegangen. Deutschland stellte mit 1798 Bewerb ern (21,4 Prozent), darunter 310 Frauen, nach Frankreich (1860/22,1) das zweithöchste Kontingent. 35 der Bewerber hatten die deutsche Staatsbürgerschaft als Zweitstaatsbürgerschaft.   Den  dritten Platz belegte Italien mit 927 Bewerbern (davon 151 Frauen) vor Großbritannien mit 822 (167) und Spanien mit 789 (103). 72 Kandidaten hatten sich aus Nicht-ESA-Staaten gemeldet.

Gesucht waren Persönlichkeiten mit abgeschlossenem Studium etwa in Lebenswissenschaften, Physik, Chemie oder Medizin sowie  herausragenden Fähigkeiten in Forschung und Anwendung. Sie mussten ärztliche Atteste wie Privatpiloten vorlegen sowie fließend Englisch sprechen und nach Möglichkeit auch gute Russisch-Kenntnisse haben.

Das eigentliche Training erfolgt im Europäischen Astronautenzentrum (EAC) in Köln. Die ESA verfügt derzeit über acht voll ausgebildete Astronauten,20darunter ist als einziger Deutscher Hans Schlegel.

Die neuen Raumfahrer bereiten sich in EAC nicht nur auf Missionen  zur ISS, sondern auch zum Mond und darüber hinaus vor. Der erste Einsatz erfolgt nach Ansicht von EAC-Chef Gerhard Thiele (Deutschland) nicht vor 2013/14.  Trotz des nach wie vor exklusiven Charakters ihrer Profession  dürfen die künftigen Raumfahrer nicht auf große Reichtümer hoffen. Das Gehalt liegt bei etwa 4200 Euro – hinzu kommen aber noch diverse Zulagen.

Deutschland hat derzeit zehn Astronauten.  Der erste war Sigmund Jähn, der 1978 für die DDR eine Woc he in der sowjetischen Raumstation „Salut 6“ gearbeitet hat. Hans Schlegel ist als bisher letzter Deutscher 2008 mit einer US-Raumfähre zur ISS geflogen. Ulf Merbold, der zweite Deutsche Im All, hat die Rek ordzahl von drei Flügen auf seinem Konto,  Schlegel und Thomas Reiter je zwei.

(Veröffentlicht am 20. Mai 2009)