Do. Nov 28th, 2024

Wer sich in der Fachliteratur auch nur halbwegs auskennt,  stutzt,  wenn er das Buch von Hermann Woydt „SOS im Weltraum“ (Foto links) sieht. Sofort stellt sich ein Déjà-vu-Effekt ein. Zuerst glaubt man,  eine Neuauflage von Matthias Gründers „SOS im All“ (Foto rechts) aus dem Jahre 2000 in der Hand zu halten,  zumal nicht nur der Titel,  sondern auch  das Foto auf der Umschlagseite zum Verwechseln ähnlich sind. Wie das dem Motorbuch Verlag Stuttgart,  dem Autor und dem Einbandgestalter Frank Zähringer passieren konnte,  wüsste man nur zu gern. Ich vermute,  dass man als anerkannter und geschätzter Massenproduzent von Raumfahrtliteratur einfach nicht mehr über den eigenen Tellerrand schaut.

Hermann Woydts Buch,  das mit 144 Seiten knapp die Hälfte des Umfangs von Gründers Werk hat,  will das Thema nicht umfassend beackern. Es beschränkt sich vielmehr auf 13 ausgesuchte SOS-Fälle aus den USA,  der Internationalen Raumstation ISS und der ehemaligen Sowjetunion. Die Amerikaner sind mit acht Vorkommnissen unter anderem aus dem Apollo-,  Gemini- und Shuttle-Programm vertreten. Besonders ausführlich werden die Challenger-  und die Columbia-Katastrophe von 1986 und 2003 behandelt,  bei denen 13 Amerikaner und ein Israeli umkamen.

Allerdings geht der Autor auch auf den tödlichen Absturz im X-15-Programm und des SpaceShipTwo ein,  die nur bedingt der Raumfahrt zuzuordnen sind. Die ISS ist mit dem spektakulären Außenbordeinsatz von 2013 vertreten,  bei dem der italienische ESA-Astronaut Luca Parmitano fast ertrank,  weil sich wegen eines verstopften Filters bis zu 2 Liter Wasser im Helm seines Raumanzuges angesammelt hatten.

Bei den vier sowjetischen SOS-Beispielen handelt es sich um den tödlichen Absturz von Wladimir Komarow vom 24. April 1967 mit Sojus 1,  der sich gerade zum 50. Mal jährte,  um die vorzeitige Enthermetisierung von Sojus 11 im Jahre 1971,  bei der die Kosmonauten Wiktor Pazajew,  Georgi Dobrowolski und Wladislaw Wolkow den Tod fanden,  und um die Beinahe-Katastrophen von Sojus 18-1 (1975) und Sojus T 10-1 (1983). Die drei Männer waren übrigens die bislang letzten Todesopfer in Moskaus Raumfahrt.

Der gefährliche Brand in der russischen Raumstation MIR vom Februar 1997,  an dessen erfolgreicher Bekämpfung auch der deutsche Astronaut  Reinhold Ewald beteiligt war,  und die folgenschwere Kollision eines Progress-Frachters mit dem Modul Spektr zwei Monate später finden indes keine Erwähnung.

Auffallend ist,  dass der Autor selbst bei den schon lange zurückliegenden sowjetischen Fällen nicht immer ganz auf dem Laufenden ist,  obwohl nach Jahren der krankhaften Geheimhaltung inzwischen alle Fakten auf dem Tisch liegen. So schreibt er allen Ernstes,  dass der Flug von Komarow zu Ehren des 1. Mai (!) stattgefunden habe und nicht,  wie bereits in allen damaligen Veröffentlichungen mitgeteilt,  zum bevorstehenden 50. Jahrestag der bolschewistischen Oktoberrevolution.

Das Buch von Woydt ist wie alle Raumfahrtwerke des Verlages wieder reich bebildert und aufwändig gestaltet. Allerdings strotzt es leider auch wieder vor orthografischen und Interpunktionsfehlern. Der schönste davon ist das Wort „Rumfahrt“ gleich in der ersten Spalte der Einleitung.

Motorbuch Verlag Stuttgart,  2017

ISBN 978-3-613-03954-4

Preis: 14,95 Euro

© Gerhard Kowalski