Moskau, 1. Dezember 2016 — Schwerer Schlag für die russische und internationale Raumfahrt: 383 Sekunden nach dem scheinbar problemlosen Start des russischen Frachters Progress MS-04 vom Kosmodrom Baikonur (Kasachstan) am Donnerstag um 15.51 Uhr deutscher Zeit brach die Telemetrieverbindung zu dem Raumschiff ab, das sich auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS befand, teilte der Staatskonzern GK Roskosmos mit. Inzwischen ist klar: Das Raumschiff stürzte über der Republik Tuwa im südlichen Sibirien an der nordwestlichen Grenze zur Mongolei ab.
Noch weiß niemand genau, welches die Ursachen für den Absturz sind. Die Moskauer Nachrichtenagentur TASS zitiert einen nicht näher benannten Experten, der meinte, Grund dafür sei ein Schaden am RD-0110-Triebwerk der dritten Raketenstufe, das just im Moment des Telemetrieabbruchs gearbeitet habe. Die US-Luft- und Raumfahrtbehörde NASA vermutet, dass die Abtrennung des Frachters von der dritten Stufe zu früh erfolgt sein könnte. Allerdings wisse man nicht, was dann mit ihm passiert sei. Man wisse zwar, dass sich die beiden Sonnenbatterien entfaltet haben. Aber es gebe keine Informationen, ob sie funktionierten.
Progress MS-04 war mit 2,4 Tonnen Nachschub an Bord auf dem Weg zur Internationalen Raumstation ISS. Die Ankopplung war für Samstag um 17.42 Uhr geplant. Der Frachter sollte Treibstoff, Lebensmittel, Ersatzteile, wissenschaftliche Geräte, Kleidung, Medikamente, eine Orangerie, einen neuen Außenbordskaphander, Verbrauchsmaterial und Hygieneartikel auf die Umlaufbahn bringen. Die sechsköpfige russisch-amerikanisch-französische Besatzung durfte sich zudem zu den bevorstehenden Festtagen auf frisches Obst sowie auf Post und Päckchen ihrer Lieben freuen.
In der Orangerie Lada-2 sollten süßer Paprika, Weizen und Salat gezogen werden. Der erste Außenbordskaphander der neuen Generation Orlan-MKS (MKS ist die russische Abkürzung für ISS) verfügt über ein automatisches Klimakontroll-System. Er kann 20 Mal eingesetzt werden – fünfmal mehr als sein Vorgänger Orlan-MK.
All das ist nun verloren. Damit ist allerdings die Versorgung der ISS-Besatzung nicht gefährdet, die noch genügend Reserven an Bord hat. Dennoch wird mit dem ernsten Zwischenfall das gesamte ISS-Programm arg durcheinander gebracht. Denn bevor die Ursache nicht einwandfrei geklärt und behoben ist, müssen die Frachter am Boden bleiben. Möglicherweise kann diese Zeit mit den privaten US-Raumschiffen überbrückt werden. Doch bei denen läuft derzeit auch nicht alles nach Plan.
© Gerhard Kowalski