Cape Canaveral, 14. Mai 2010 — Die US-Raumfähre „Atlantis“ befindet sich seit Freitag auf Abschiedstour. Ihr 32. und letzter Start ins All vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral
(Florida) hat zugleich den Countdown für das ganze Shuttle-Programm eingeläutet. Im September und November werden die „Discovery“ und die „Endeavour“ noch einmal aufsteigen, dann ist die Ära der Raumfähren, die am 12. April 1981 begonnen hatte, nach 134 Missionen Geschichte. Die kompliziertesten Maschinen, die je gebaut wurden, sind dann nur noch im Museum zu bewundern.Die sechsköpfige Crew, der ausnahmsweise mal keine Frau angehört, bringt beim nunmehr 11. Trip der „Atlantis“ zur Internationalen Raumstation ISS als Hauptnutzlast das neue russische Forschungsmodul (MIM-1) „Rasswet“ („Morgendämmerung“) auf die Umlaufbahn. Es ist dies auch das erste Modul der Russen, das von einem Shuttle zur ISS transportiert wird. Moskaus Raumfahrtagenturchef Anatoli Perminow ließ es sich deshalb nicht nehmen, dieser Premiere im Kennedy Space Center (KSC) persönlich beizuwohnen.
„Rasswet“ ist rund acht Tonnen schwer und soll am Dienstag an das „Sarja“-Modul umgesetzt werden. Das Wissenschaftslabor erweitert mit seinen fünf modern ausgestatteten Arbeitsplätzen die Forschungskapazitäten der Russen in ihrem Segment erheblich. Zudem verfügt es über eine Ausstiegsschleuse sowie einen Kopplungsstutzen für automatische „Progress“-Frachter und „Sojus“-Raumschiffe. Das ist besonders wichtig für die Nach-Shuttle-Zeit, wenn der gesamte Güter- und Personenverkehr ausschließlich auf den Schultern der Russen lastet.
Neben dem Forschungsmodul bringen Commander Ken Ham und seine Männer noch sechs neue Batterien, eine Ku-Band-Antennenanlage sowie Verbrauchsmaterial und – prophylaktisch – schon tonnenweise Ersatzteile zur ISS, deren Nutzungsdauer ja um fünf Jahre bis 2020 verlängert wurde. Dazu gehört auch ein Ersatz-„Ellenbogen“ für den europäischen Roboterarm (European Robotic Arm – ERA). Er soll zwar erst 2012 zusammen mit einem russischen Mehrzweckmodul zur Station gebracht werden. Doch die Europäische Weltraumorganisation ESA will heute schon dafür vorsorgen, dass der ERA bei „Gelenkproblemen“, die sich bei jahrelangem Gebrauch einstellen könnten, wieder fit gemacht werden kann. Bei drei Ausstiegen in den freien Raum werden die „Atlantis“-Astronauten zudem die alten Batterien gegen die neuen autauschen, die Antenne montieren und die Ersatzteil-Vorräte auf speziellen Plattformen verstauen.
Die letzte „Atlantis“-Mission hat wesentlich mehr Schaulustige als sonst an die Space Coast gelockt. Viele Amerikaner sehen dem bevorstehenden Ende der Shuttle-Flüge, die am 12. April 1981 begonnen hatten, mit gemischten Gefühlen entgegen, zumal kein adäquater Ersatz in Sicht ist. Mit besonders heftiger Kritik haben sich der erste und der letzte Mensch auf dem Mond, Neil Armstrong und Eugene Cernan, zu Wort gemeldet. Armstrong, der normalerweise äußerst zurückhaltend ist, sagte am Mittwoch vor einem Ausschuss des US-Senats, die Streichung des „Constellation“-Nachfolgeprogramms durch Präsident Barack Obama führe dazu, dass die USA ihre „Führungsrolle in diesem Bereich an andere Länder abtreten“. Obama sei da wohl schlecht beraten worden.
(Material für ddp)