Moskau, 29. Juni 2016 — Russland macht jetzt offenbar ernst mit seinem seit langem angekündigten Plan, eine wiederverwendbare Erststufe einer Trägerrakete zu bauen. Dafür sei in der Raketenschmiede GKNPZ Chrunitschew eine Mannschaft von Spezialisten zusammengestellt worden, die bereits an einem ähnlichen Projekt für das System Energija-Buran gearbeitet haben, berichtet die Moskauer Zeitung Iswestija unter Berufung auf den Generalkonstrukteur für Raketenkomplexe des Staatskonzerns GK Roskosmos, Alexander Medwedjew.
Die russischen Ingenieure würden dabei aber nicht von den Erfahrungen inspiriert, die der Gründer des privaten US-Raumfahrtunternehmens SpaceX, Elon Musk, gemacht habe, dem es bereits mehrfach gelungen ist, die Erststufe seiner Falcon 9 heil auf einer schwimmenden Plattform im Atlantik zu landen, betont das Blatt. Die Chrunitschew-Spezialisten entwickelten eine „geflügelte“ Raketenerststufe, die wie ein Flugzeug zur Erde zurückkehre und auf einem Flugplatz landet.
Die russischen Spezialisten seien davon überzeugt, dass das die „optimale Variante ist“, sagte Medwedjew. „Das Schema, nach dem SpaceX die erste Stufe landet, funktioniert bei uns nicht, weil die Raketen von unseren Kosmodromen nicht über das Meer fliegen.“ Und selbst dann, wenn es diese Möglichkeit gäbe, wäre das nicht der „optimale Weg“, weil auf dem Wasser fast immer Seitenwind und Wellengang herrschen.
Das Rückführungsprojekt ist Teil der Forschungsarbeit Avangard/Flagman im Rahmen des neuen Föderalen Raumfahrtprogramms (FKP) für die Jahre 2016-25. Bereits zu Sowjetzeiten hat Moskau an einer solchen Technologie gearbeitet. So sollte die erste Stufe des schweren Trägers Energija mithilfe von Fallschirmen und einem Feststofftriebwerk für die weiche Landung zurückgeführt werden. Doch dazu ist es nicht gekommen, da das Projekt eingestellt wurde.
Im Jahre 2003 hat dann Chrunitschew das Modell der wiederverwendbaren Erststufe Baikal für die Angara-Familie präsentiert. Nach Abtrennung der zweiten Raketenstufe sollte Baikal wie ein Flugzeug wieder zum Startplatz zurückkehren. 2012/13 hat Chrunitschew ein analoges Projekt (MRKS) für eine schwere Trägerrakete entwickelt. Es wurde aber nicht weiter verfolgt, weil man davon ausgegangen ist, dass bei einer wiederverwendbaren Raketenstufe die Nutzlastkosten 1,7 Mal höher sind als beim Einwegmodell.
© Gerhard Kowalski