Köln, 18. Mai 2016 — Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Mittwoch das Europäische Astronautenzentrum EAC der Europäischen Weltraumorganisation ESA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln besucht. Die DLR-Vorstandsvorsitzende Pascale Ehrenfreund und ESA-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner begrüßten die Kanzlerin und stellten ihr den DLR-Standort sowie die EAC-Trainingsanlagen vor.
Während des Besuchs verkündete Wörner, dass der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst ab Mai 2018 für eine zweite Langzeitmission zur Internationalen Raumstation ISS ausgewählt wurde. Er werde sechs Monate auf der Station verbringen und in der zweiten Hälfte seiner Mission sogar drei Monate lang das Kommando übernehmen.
„Mit diesem Flug wird Deutschland seine Kompetenzen in der Raumfahrt weiter ausbauen“, erklärte Pascale Ehrenfreund. „Raumfahrt eröffnet uns eine Vielzahl von gänzlich neuen oder deutlich verbesserten Anwendungen zur Lösung globaler Herausforderungen und trägt dazu bei, Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken und weiter auszubauen. Denn wer Raumfahrt kann, kann alles.“
Mit Gerst wird zum ersten Mal ein deutscher ESA-Astronaut Kommandant der ISS und nach dem Belgier Frank de Winne zum zweiten Mal ein Europäer. Für Gerst ist es die zweite Langzeitmission im All, er war bereits von Mai bis November 2014 auf der ISS.
„Alexander Gerst hat sich bei seiner ersten ISS-Mission BlueDot durch hervorragende Gesamtleistungen und eine hohe Professionalität in der Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem hat er exzellente Koordinationsfähigkeiten und soziale Kompetenzen bei der Interaktion mit den Kollegen der ISS-Crew bewiesen“, sagte Wörner. „Aus diesem Grund hat die ESA Alexander Gerst für diese Mission ausgewählt sowie als Kommandanten der ISS vorgeschlagen.“ Der Vorschlag sei vom ISS Multilateral Crew Operations Panel (MCOP), dem internationalen Gremium, das die ISS-Crews zusammenstellt, angenommen worden.
Im Laufe ihres Rundgangs informierte sich Merkel im DLR-Kontrollzentrum des Landers Philae über die europäische Kometenmission Rosetta, die nach einer über zehnjährigen Reise durch das All im Frühjahr 2014 mit der spektakulären Landung auf dem Zielkometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko endete.
Viel Zeit nahm sich die Kanzlerin für einen Besuch des DLR_School_Labs in Köln. In den bundesweit zwölf Laboren können Schulklassen jeweils einen Tag lang bei betreuten Experimenten die faszinierende Welt der Forschung eigenständig entdecken. Mit Schülerinnen und Schülern aus der sechsten Klasse eines Bonner Gymnasiums beobachtete die promovierte Physikerin, wie sich Wasser in einem Fallturm und damit in einem kurzen Moment der Schwerelosigkeit verhält.
Über die Erforschung der negativen Auswirkungen der Schwerelosigkeit und die Entwicklung von effektiven Trainingsmethoden für Astronauten konnte sich die Bundeskanzlerin im Forschungsgebäude „:envihab“ des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin informieren. ESA-Astronauten durchlaufen hier vor und nach ihrem Aufenthalt auf der ISS umfangreiche medizinische Untersuchungen und Rehabilitationsprogramme. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse fließen auch in irdische Behandlungsmethoden ein.
Im EAC erläuterten Leiter Frank De Winne, Alexander Gerst und weitere Experten dem Gast einige wichtige Aspekte der Raumflugausbildung. Sie informierten zugleich über Details des Spezialtrainings für die Arbeit im europäischem Columbus-Labor in der ISS und über einige Ergebnisse der Forschung in dem Weltraumlabor. Ferner wurden Merkel ein Service Modul, das beim neuen US-Raumschiff Orion zum Einsatz kommen soll, und das großen Tauchbecken vorgestellt, in dem Außenbordeinsätze im All trainiert werden.
Der promovierte Geophysiker und Vulkanologe Gerst gehört seit 2009 dem ESA-Astronautenkorps an. Er war das erste Mal im Mai 2014 mit einem russischen Sojus-Raumschiffes zur ISS geflogen, um dort im Rahmen seiner europäischen BlueDot-Mission ein halbes Jahr lang zu leben und zu forschen. Er war damit der dritte deutsche Raumfahrer auf der ISS.
Im Mittelpunkt der BlueDot-Mission standen mehr als 100 wissenschaftliche Experimente auf den Gebieten der Materialforschung, Biologie, Medizin, Physik, Astronomie, Erdbeobachtung und Technologieerprobung. Neben den wissenschaftlichen Experimenten wurden auch mehrere Bildungsprogramme für Schulen durchgeführt.
Heute arbeitet Gerst im Astronautenzentrum an der wissenschaftlichen Nachbereitung seiner Mission und unterstützt die nach ihm ins All gefolgten ESA-Astronauten.
Mit Gerst bekommt Deutschland den dritten Zweifach-Astronauten. Vor ihm waren schon der heutige ESA-Direktor Thomas Reiter (1996 und 2006) und Hans Schlegel (1993 und 2008) zweimal im All. Absoluter Spitzenreiter im elfköpfigen deutschen Raumfahrerklub ist allerdings Ulf Merbold mit drei Raumflügen. Er war 1983 und 1992 mit einem US-Shuttle unterwegs und ist 1994 mit einer Sojus-Kapsel zur russischen Raumstation MIR geflogen.
Bei seiner zweiten Mission wird Gerst erneut mit dem russischen Kosmonauten Alexander Samokutjajew zusammenarbeiten, den er schon 2014 in der Station getroffen hatte.
Derzeit arbeitet eine private Initiative daran, 2020 die erste Deutsche in den Weltraum zu schicken, um endlich die Phalanx der Männer zu durchbrechen.
© Gerhard Kowalski