Wostotschny, 19. Januar 2016 — Die Vorbereitungen auf den Jungfernflug vom neuen russischen Kosmodrom Wostotschny gehen in die heiße Phase. Am Dienstag ist auf dem Weltraumbahnhof im Amur-Gebiet mit der Montage der Sojus-2.1a-Trägerrakete begonnen worden, wie Vizepremier Dmitri Rogosin per Twitter verkündete. Ein genauer Starttermin steht indes noch nicht fest. Vage ist von April die Rede.
Erst am Montag hatte Generalauftragnehmer Spezstroj mitgeteilt, dass die Infrastruktur des „Startminimums“ fertiggestellt sei. Am Freitag sollen die drei kleinen Satelliten angeliefert werden, die zur Eröffnung des ersten zivilen Kosmodroms Russlands ins All geschossen werden.
Eigentlich sollte Wostotschny bereits Ende Dezember mit dem Erststart der Rakete eingeweiht werden, deren verpackte Einzelteile seit Ende September im nagelneuen Montage- und Testkomplex (MIK) lagern. Doch daraus wurde nichts, weil die Bauarbeiten drei bis vier Monate hinter dem Plan herhinkten.
Präsident Wladimir Putin hatte daraufhin bei einem Besuch auf seinem Prestigeobjekt „erlaubt“, den Start auf das Frühjahr zu verschieben. Qualität gehe vor Eile, sagte er, und deutete zugleich an, dass er sich freuen würde, wenn der Start nun zum 12. April stattfinden könnte. Denn an diesem Tag feiern Russland und die globale Raumfahrtgemeinde den 55. Jahrestag des historischen Fluges von Juri Gagarin. Einiges deutet darauf hin, dass ein solcher Termin zumindest anvisiert wird. Eine frühe Information des Sojus-Herstellers Progress in Samara, der Start könnte am 25. April stattfinden, wurde postwendend offiziell zurückgewiesen.
Wie Spezstroj inzwischen informierte, ist noch keine Entscheidung über den Bau der Startrampe für die neue Angara-Rakete in Wostotschny gefallen. Dazu werde es eine Ausschreibung geben. die man zu gewinnen hoffe. Frühestens 2022 soll das neue Raumschiff Federazija, das die Sojus-Kapsel ablöst, hier das erste Mal unbemannt starten.
(c) Gerhard Kowalski
Wostotschny bedeutet auch signifikante Verbesserungen der Sojus Trägerraketen, die zweite Etappe der Modernisierung wird 2018 abgeschlossen sein. Wir erleben auch einige Premieren, nur ganz kurz:
1) Mit der Laserzündung der Triebwerke erleben wir Weltpremiere.
2) An der Sojus Trägerrakete kommen erstmals mehrere Onboard Kameras zum Einsatz, als auch:
– Energetisch optimale Flugbahnen mit der Anwendung der Grundsätze der terminal Steuerung.
– Korrektur der Flugbahn von Nutzlasten mit Hilfe der Satellitennavigation.
– Volle Nutzung der Energiequellen der Trägerrakete durch den synchronen Verbrauch des Treibstoffes.
– Prognose des Brennschluses mit volständiger Verbrennug des Treibstoffes, keine Belastungder Umwelt.
– Verwendung von effizienteren Algorithmen für die verbesserte Erhöhung der Störunempfindlichkeit und Fehlertoleranz des Systems.
– Sicherung einer hoher Transportgenauigkeit von Raumfahrzeugen durch inertial Navigation und Korrektur der Flugbahn nach GLONASS und Navstar.
– Ein erhöhtes Mass an ökologischer Sicherheit durch vollen Verbrauch an Treibstoff und eine hochpräzise Landung der getrennten Elemente (Booster) in den angegebenen Bereichen des Niedergangs.
Nach Informationen des Generaldirektor von NPO Avtomatiki, L. Schalimow, haben wir folgendes Bild der Rechenkomplexe an Bord der Trägerrakete, es geht um die Masse der Computer.
1) Bei Buran (vorgestern) war der Rechenkomplex etwa 33 kg schwer, (Space Shuttle=27kg).
2) Danach waren die 20 kg schwer.
3) Heute haben die Rechenkomplexe eine Masse von 5 kg.
4) Für Sojus-5 wird der Rechenkomplex nur 400 Gramm wiegen.
5) Für übermorgen sind Rechenkomplexe von 10 Gramm vorgesehen.
Da kann man nur staunen!
GK
Ob das gut geht?
Ein vollständiger Verzicht auf westliche Ausrüstung beim Bau des Kosmodroms der vorwiegend aus Deutscher und Französischer Produktion vorgesehen war, wurde beim Wostotschny nicht erreicht, da russische Unternehmen nicht in der Lage waren identische Analoge zu erstellen. Der Einkauf war wegen der westlicher Sanktionen nicht möglich, so waren die Lüftungsanlagen ursprünglich aus Deutschland vorgesehen, sind weltweit auch die besten.
Laut dem stellvertretenden Direktor von Spezstroj, A. Mordovets, technischen Ausrüstungen die aus Deutschland und Frankreich vorgesehen waren, wurden in China eingekauft.
Das Kommunikationssystem des Wostotschny kommt aber aus den Niederlanden, hier gab es keine Einschränkung wegen der Sanktionen.
Der zweiter Startkomplex für die Angara-A5W wird auf dem Wostotschny aus finanziellen Gründen nicht entstehen, so Ivanow von Roskosmos.
Mit Absage der Mondflüge ergibt sich auch eine berechtigte Frage nach dem Sinn der Angara-A5W:
1) Nutzlasten bis 38 Tonnen sind in Russland nicht in Sicht, werden nicht kommen.
2) Sollte um 2040 ein Träger bis 85 Tonnen entstehen, hätte so eine Angara kaum Berechtigung.
3) Eine wiederverwendbare MRKN Trägerrakete, heute nur ein Traum, kann Nutzlasten von 8 bis 65 Tonnen abdecken.
Mal sehen, was die Regierung Ende März zum FKP-25 sagt.
GK
Ja, warum erst nach Proton Abstürzen wurden drastische Reformen in der Raumfahrt eingeleitet und heute mit finanziellen Problemen entsteht endlich ein universeller Angara Startkomplex. Für mich eine recht schwerfällige und nicht effiziente Arbeit. Was bei Energija schon möglich war, kommt auch bei Angara zum Einsatz mit enormen Kosteneinsparungen.
Die Verschiebung der Arbeiten am Angara Startkomplex um ein Jahr hat damit zu tun, das Roskosmos möchte einen universellen Startkomplex für alle Angara Trägerraketen:
– Angara-A5
– Angara-A5P
– Angara-A5W
Die Arbeit erfordert die ganze technische Dokumentation zu überarbeiten als auch Änderungen in der Montage- und Testanlage für Satelliten und der Raumfahrzeuge, also den MIK. Für Mondflüge muss aber recht später ein zweiter Startkomplex entstehen.
Es geht ja nicht nur um die Verschiebung des Baus der Angara-Rampe, gefährlich ist auch der Verzicht auf eine zweite Rampe. Was wird, wenn mal eine Rakete wie bei der N1 explodiert?
GK
Das entscheidende Kriterium einer Trägerrakete ist die Zuverlässigkeit der Triebwerke. Auf Bassis des RD-170 Triebwerks mit über 1000 Brennversuchen mit insgesamt 100 000 Sekunden Brenndauer, entstand das Angara RD-191 Triebwerk mit einer Brenndauer von etwa 30 000 Sekunden.
Eine Wiederholung von N-1 ist nicht möglich, theoretisch kann aber auch eine Angara explodieren. Bei Proton waren auch menschliche Schlamperei.
Nun, ein zweiter Startkomplex für Angara muss sowieso kommen, früher oder später, das ist jedem bekannt da 2025 werden wir den letzten Proton Start sehen. Angara Startkomplex von Plessezk kann auch nicht jede Proton Mission übernehmen.
Wohl wahr!
GK